Silvermind (German Edition)
kurzen Moment. Allerdings brauchte er eine Weile, um Antworten zu können. Es machte ihn kirre, dass Ray ihm mit diesem Verhalten zeigte, dass der Abend in der Bar nachklang.
„Nein, ist in Ordnung. Ich hole Lora und sag meiner Mutter Bescheid. Warte im Flur.“ Nero stand auf. Er hätte nicht enttäuscht sein sollen, dass Ray ihm gegenüber abweisend war. Aber es ließ sich nicht ändern. Er wusste, warum es so war und musste die Konsequenzen tolerieren. Eine Entschuldigung milderte keine scharfen Worte.
Es würde ein hartes Stück Arbeit werden, gar eine Geduldsprobe. Nero hatte keine Ahnung, wie er mit Ray umgehen sollte, wenn sie auf keinen gemeinsamen Nenner kamen. Die Dinge, die geschehen waren, ließen sich nicht ändern. Letztlich konnte er nur versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.
***
Kapitel 16 – Ray
„Was läuft da zwischen Nero und dir?“
Ray lag auf Deans Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Als er seinen Freund ansah, zog er eine Augenbraue in die Höhe.
„Was meinst du?“
„Die Geschichte, als die Jungs hier waren.“ Er zuckte mit den Schultern. „Nichts“, meinte er.
„Nach ´Nichts` sah mir das nicht aus.“
„Was willst du stattdessen erkannt haben?“, entgegnete Ray. Er wusste, dass Dean das Spielchen zwischen Nero und ihm mitbekommen hatte, aber er wollte nicht darüber reden. Das war eine Sache, die er selbst nicht verstand. Es wäre sinnlos, etwas auszuschlachten, das keinen Bestand hatte. Ray machte sich bereits genug Gedanken.
„Ich bin nicht blind, Ray.“ Er wollte Dean nicht anlügen. In dem Falle konnte er ihm aber nicht mehr als Halbwahrheiten auftischen.
„Wir haben uns vor einiger Zeit gestritten. Seitdem ist das Verhältnis zwischen uns angespannt. Vielleicht hat Nero ein schlechtes Gewissen. Das, was man sieht, ist nicht immer echt.“
„Mag sein. Nero wirkt auf mich allerdings keineswegs, als würde er sich lange mit einem Thema beschäftigen. Du hingegen scheinst ihm zu Kopf gestiegen zu sein.“
„Liegt vielleicht daran, dass ich mir nicht alles bieten lasse.“
„Das tut Mark auch nicht. Bei euch ist es trotzdem was Anderes.“
Ray schnaubte leise. Wenn Dean wüsste … Seine Welt war auf den Kopf gestellt worden. Damit kam er nicht klar. Nero hatte sich als jemand herausgestellt, mit dem nicht zu spaßen war. Vermutet hatte es Ray von Anfang an, doch es sprichwörtlich auf der Hand zu haben, war etwas anderes. Die Gefahr, die von dem Leader ausgegangen war, hatte Ray in ihre Klauen genommen.
Der Besuch bei Lydia war ihm aufs Gemüt geschlagen. Ihm war bewusst geworden, wie kindisch er sich gegenüber Nero verhalten hatte, der ihm letztlich helfen wollte. Ray tat schwer daran, sich das einzugestehen. Ihm war eine Seite offenbart worden, von der er überrascht gewesen war. Wie normal und fürsorglich der Leader mit Lydia umging, hatte ihn verwundert. Unter der knallharten Fassade Neros verbarg sich ein aufmerksamer Mann, dem das Leid anderer nicht egal war, wie Ray bis dato angenommen hatte.
Geahnt hatte er es bereits bei dem kurzen Krankenhausaufenthalt. Dass Nero scheinbar unerschütterlich war, hatte ihm Kraft gegeben, die Angst, die er in dem Moment empfunden hatte, zu vertreiben. Es war der Schock, der Ray hatte aus der Haut fahren lassen und es war Neros Anwesenheit gewesen, die ihn beruhigte. Ray schloss die Augen bei dieser Erinnerung. Er hatte innerlich mit sich gerungen, war kurz davor gewesen, entgegen allen Vorsätzen, die er sich gemacht hatte, Nero jede Einzelheit zu erzählen. Sich jemandem zu öffnen, bei dem er damit rechnen musste, dass jede Offenbarung gegen ihn verwendet würde. Unweigerlich hatte sich Ray von der ausgestrahlten Stärke angezogen gefühlt.
Er war gefangen im Widerstreit seiner Gefühle. Einerseits verspürte er Abneigung gegen Nero, die auf persönlicher Ebene basierte. Andererseits konnte er die Anziehung nicht leugnen. Zwischen diesen beiden Emotionen schwankend, wand er sich innerlich wie ein Aal. Er hatte sich mit dem Feuer verbunden, wohl wissend, dass es brandgefährlich und heiß war. Jetzt kam Ray nicht mehr aus den lechzenden Flammen heraus, die sich züngelnd um ihn gelegt hatten. Gierig, lustvoll. Ray war machtlos dagegen. Nero bereitete ihm Kopfzerbrechen. Verwirrte das Raster seiner Gefühle, ließ ihn nachts nicht schlafen. Erregende Träume, vermischt mit dem Wissen, dass das, was zwischen ihnen war, einer Laune der Zeit glich, wieder verschwinden würde,
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