Silvermind (German Edition)
soll er das wissen? Bis heute hattest du ihn nicht einmal in der Band willkommen geheißen. Wenn sich ein Mensch nicht angenommen fühlt, wird er auch nichts über Probleme verlauten lassen, sondern versuchen, es allen recht zu machen.“
„Ist das die Lösung des Problems? Akzeptanz?“
„Vielleicht. Mir wäre sie wichtig. Vor allem vom Leader.“
„Ich habe ihn angenommen.“
„Heute, Nero. Was war mit der Zeit davor?“ Dazu schwieg er. Er hatte tatsächlich nie etwas Positives verlauten lassen. Wenn er genau darüber nachdachte, wusste er, dass jemand wie Ray Anerkennung brauchte. Einmal auf der Bühne gesagt reichte nicht. Es musste dem Kleinen unglaubwürdig erschienen sein. Etwas, dass er gesagt hatte, um die Fans zu begeistern. Er fluchte niveaulos.
„Entschuldigung, sind Sie Nero?“, ertönte die Stimme des Arztes neben ihm. Er sah auf.
„Ja, was gibt´s?“
„Der Patient ist wieder bei Bewusstsein. Er hat ausdrücklich nach Ihnen verlangt.“ Nero furchte die Stirn und trat die Zigarette aus. Mit dem Fuß bereits auf der ersten Stufe, warf er Blair einen Blick zu.
„Ihr schafft das ohne mich, oder?“
„Klar.“ Gerade, als er in den Bus stieg, hielt ihn Blair auf.
„Ach übrigens, was ich dir noch sagen wollte. Ich bin froh, dass du ihn in die Band genommen hast.“ Damit drehte sich der Keyboarder um.
Als Nero bei Ray ankam, sah er, dass der bereits wieder Farbe im Gesicht hatte. Dennoch war er immer noch schwach. Der Arzt nickte ihm zu. Er stellte sich an die Koje und blickte auf Ray hinab.
„Was gibt´s?“, meinte er schroffer als beabsichtigt. Das Gespräch mit Blair hatte ihn aufgewühlt. Er sah den Kleinen nicht gerne verletzt, hatte Mühe, die Situation zu akzeptieren.
„Wirst du gerade gebraucht?“, fragte Ray heiser und warf ihm einen Blick zu.
„Ja“, meinte Nero bissig. Er konnte nicht verhindern, dass er wütend auf ihn war, ganz gleich, was Blair ihm gesagt hatte. Sorge um den Kerl hatte sich in ihm ausgebreitet, schnürte sein Innerstes zu. Für einen Augenblick atmete er tief ein, versuchte das Zittern zu unterdrücken. Die Szene erinnerte ihn an Vergangenes. Mit den Gefühlen, die in ihm aufwallten, konnte er nicht umgehen. Schweigend schaute Ray auffordernd zum Arzt. Der jedoch zögerte.
„Sind Sie sicher?“
„Ich werde es überleben“, meinte Ray und schluckte, dann wandte er sich an Nero. „Ich will dich nicht länger aufhalten. Sorry, dass ich dich von der Arbeit abgehalten habe.“
„Was wolltest du?“ Aber Ray antwortete ihm nicht. Der Arzt räusperte sich.
„Der Patient hat eine Nadelphobie. Ich habe ihm vorgeschlagen, jemanden zu holen, den er kennt und an seiner Seite bleibt, während ich die Wunde nähe.“
Nero heftete den Blick auf Ray. Damit hatte er nicht gerechnet. Der Kleine wirkte nicht, als hätte er vor irgendetwas Angst, aber schob Panik bei Nadeln. Wäre Nero nicht dermaßen innerlich angespannt gewesen, hätte darüber lachen können. Doch er rang mit sich, war nicht in der Lage, vernünftig zu reagieren. Die Situation war ihm aus einem nicht erfindlichen Grund zu viel.
„Nicht nur bescheuert, sondern auch ein Weichei. Du enttäuschst mich.“
„Steigert meinen Wert ungemein, nicht wahr?“, meinte Ray trocken und schaute zur Seite. Nero starrte auf ihn hinab. Er hasste es, dass Ray sich als minderwertig abstempelte, hasste es, ihn immer und immer wieder zu verletzen. Konnte es zugleich aber nicht verhindern. Denn das schien alles zu sein, was Nero in dessen Gegenwart drauf hatte. Mit einem stummen Fluch ging er auf die Knie.
„Fangen Sie an“, meinte er zum Arzt und griff nach Rays Hand. Er umschloss die Finger mit den seinen, hielt sie fest. Ray erwiderte den Händedruck nicht. Während der Arzt zu nähen anfing, betrachtete Nero das Profil des Kleinen. Er hätte besser auf diesen achtgeben sollen, nicht zulassen, dass sie auftraten. Für alle Beteiligten wäre dass das Beste gewesen. Im Nachhinein konnte er zwar seine Entscheidung bereuen, aber nicht rückgängig machen, was passiert war. Blair hatte recht. Ray brauchte Akzeptanz und Anerkennung.
Der Arzt war nach zwanzig Minuten fertig. Als er den letzten Klebestreifen befestigt hatte, mit dem der Verband gehalten wurde, erhob er sich.
„Sie brauchen Ruhe und die nächsten Tage möglichst keine übertriebenen Bewegungen. Mindestens eine Woche Schonzeit. Ihr Rippenbruch wird eine Weile brauchen, bis er gänzlich verheilt ist. Für die
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