Silvermind (German Edition)
gebrauchen. Mach die Weste auf.“
„Nein.“ Nero diskutierte nicht länger. Er griff an die Verschlüsse und öffnete das Kleidungsstück. Ray versuchte das zu unterbinden, gab allerdings nach einer Weile auf. Nero klappte die Stoffteile auseinander. „Das hast du gewusst, oder?“, stieß er zornig aus. Der Kerl schwieg verbissen. „Ich dachte, wir hätten eine Abmachung gehabt.“
„Du hast es nicht gemerkt“, erwidert Ray rau.
„Wage es nicht, deinen Zustand auf mich zu schieben!“, knurrte Nero.
„Das wollte ich damit nicht sagen. Du solltest es nicht merken, das hat … funktioniert.“ Nero verzog angewidert das Gesicht, fassungslos, was Ray gebracht hatte. „Ich habe Leuten, die dich mögen und lieben, versprochen, auf dich aufzupassen. Wir sind keinen Tag unterwegs und du trittst mir in den Arsch?“
„Ich wollte …“
„Spar dir die Worte.“ Wütend ließ Nero von ihm ab. Er sah sich nach sauberen Tüchern um. Aber alles was er fand, war ein benutztes Handtuch. Das konnte er nicht nehmen. Die Wunde war aufgegangen, die Nähte durch die Bewegungen aus der Haut gerissen. Er hatte keine Ahnung, wie tief der Stich war, schön sah es jedenfalls nicht aus. Ihm war klar, dass er einen Arzt konsultieren musste.
„Ich bringe dich in den Bus“, meinte Nero nachdrücklich. Er hatte ein verdammtes Déjà-Vu. Es erinnerte ihn an die Szene im Bad, als Dean vor Ray gekniet hatte, besorgt und leicht hysterisch, darauf drängte, dass der Hilfe annahm. Auch dieses Mal schien es, als würde dieser auf seinen Dickkopf beharren. Aber das duldete Nero nicht. Ray stützend ging er durch den Hintereingang des Clubs und schleppte ihn in den Bus. Der Fahrer half ihm, Ray in ein Schlafabteil zu legen.
„Können Sie einen Arzt rufen?“, richtete er an den Fahrer, der daraufhin nickte. Nero zog Rays Weste gänzlich aus. Danach suchte er nach Verbandsmaterial. Nachdem er es im Bus gefunden hatte, kümmerte er sich um die Wunde. Der Arzt traf wenige Minuten später ein. Ray war in der Zeit bewusstlos geworden.
„Wo ist der Patient?“, fragte der Doktor, den Nero an der Tür abfing.
„Dort in der Schlafkabine.“
„Schwacher Kreislauf?“, fragte der Arzt.
„Woher soll ich das wissen? Er hat seit drei Tagen eine Stichverletzung, die offensichtlich aufgegangen ist. Ich weiß nicht, wie schwer er verletzt wurde.“ Der Arzt kniete sich neben Ray, überprüfte die Vitalzeichen. Dann begutachtete er die Wunde fachmännisch.
„Nimmt der Patient Medikamente? Irgendwelche Drogen oder Alkohol in den letzten Stunden konsumiert?“
„Ein Glas Wodka, keine Pillen.“ Er brauchte dringend eine Zigarette. Der Arzt griff nach einer Viggo und legte ihm einen venösen Zugang.
„Ich werde ihm eine Infusion anhängen, um ihm Flüssigkeit zu infundieren und den Kreislauf zu stabilisieren, da ich durch den Alkohol nur bedingt medikamentös eingreifen kann. Die Nähte werde ich ziehen und die Wunde neu vernähen, da sie oberflächlich aufgegangen ist.“
„Dann machen Sie mal.“
„Sind Sie ein Angehöriger von ihm?“, erkundigte sich der Arzt.
„Nein. Er ist Mitglied unserer Band. Wir sind gerade auf Tour.“
„Ich werde Sie trotzdem bitten müssen, den Bus zu verlassen, solange ich ihn versorge. Da der Patient bewusstlos ist, kann er über Ihre Anwesenheit keine Entscheidung treffen.“
„Wie lange wird das dauern?“
„Bis die Infusion durch ist, eine Stunde.“ Nero nickte. Mit einem letzten Blick auf Ray trat er nach draußen. Er steckte eine Zigarette an und lehnte sich an die Karosserie des Fahrzeugs. Den Rauch ausstoßend sah er in der Ferne zu Blair, der gerade mit Boxen zum Bus ging.
„Ich helfe euch gleich“, meinte Nero und nahm wieder einen Zug.
„Wie geht es ihm?“
„Bewusstlos. Der Arzt kümmert sich darum.“ Blair nickte. Der Keyboarder verstaute die Sachen und ging dann zu ihm. „Sei nicht sauer auf ihn. Ich kann ihn verstehen. Klar war sein Verhalten nicht richtig, aber ich denke, dass er damit keinen belasten wollte.“
„Ich hatte eine Abmachung mit ihm.“
„Welche?“
„Dass ich den Auftritt absage, wenn es ihm schlecht geht. Er hat mich belogen.“
„Scheiße.“
„Du sagst es“, meinte Nero spöttisch lachend und stieß den Rauch aus.
„Aber denk mal nach. Das bestätigt meine Vermutung, dass sich keiner Sorgen um ihn machen sollte. Er ist neu.“
„Wir sind eine große Familie, Blair. Wir kümmern uns umeinander.“
„Woher
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