Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
Maskenschnitzereien vom Bantustamm der Ovambo an der Wand, die Herrn Schweitzer wegen ihrer sparsam ziselierten Gesichtszüge besonders gut gefielen.
Als man zu Ende gespeist hatte, eröffnete Maria das Gespräch mit einem kurzen Bericht über Karin Schwarzbachs sehr angeschlagener Gesundheit, die sich ihr gestern nacht erst so richtig offenbart hatte, als man gemeinsam auf dem Polizeipräsidium war und die Frau des vermißten Abgeordneten die Fragen des netten Polizisten recht zusammenhangslos beantwortet hatte. Immer wieder hatte sie, Maria, korrigierend eingreifen müssen. „Das kann so nicht weitergehen. Ich hab Angst, daß sie sich was antut.“
„Du meinst Selbstmord?“ fragte Simon Schweitzer.
Die Frage ließ Maria unbeantwortet im Raum stehen, statt dessen sagte sie: „Sie erzählt auch immer öfter von früher. Da ist die Rede von einem Guntram, den sie besser hätte heiraten sollen. Kennst du den?“
„Ja. Guntram Hollerbusch, der ist Pfarrer hier in Sachsenhausen.“
„Und daß sie zwei Morde hätte verhindern können, wenn sie nur aufgepaßt hätte. Das sind natürlich Hirngespinste, aber…“
„Die zwei Bullen“, platzte es aus Simon Schweitzer heraus.
„Bitte?“
„Äh, die zwei Polizisten, die damals an der Startbahn erschossen wurden.“
Frau von der Heide hatte jegliche Gesichtsfarbe verloren. „Dann stimmt das also doch.“
„Ja, aber damit hat Karin doch nichts zu tun. Der oder die Mörder laufen bis heute frei herum.“ Ihm war schwindelig. Er hatte Verlangen nach einem Schnaps. „Was hat Karin noch alles erzählt?“
„Nichts weiter. Dafür wiederholt sie alles ständig. Glaubst du, Karin weiß, wer die Mörder sind?“
„Oder der Mörder. Bis vor zehn Minuten hätte ich meine Hand dafür ins Feuer gelegt, daß sie davon keine Ahnung hat. Wir haben doch alles immer zusammen gemacht. Klaus-Dieter, Guntram, Karin, ich und …“, es ärgerte ihn, daß ihm der Name schon wieder nicht sofort einfallen wollte, „und Daniel Fürchtegott.“
„Was?“
„Der heißt tatsächlich so. Daniel Fürchtegott Meister. Ist seit Ewigkeiten verschollen. Sag mal, hat Karin gestern auf dem Polizeipräsidium auch von den Morden erzählt?“
„Nein. Eigentlich nur dann, wenn sie vollkommen betrunken ist oder ein paar von diesen Tranquilizern genommen hat, die ihr der Arzt verschrieben hat.“
„Entschuldige Maria, aber ich bin richtig durcheinander.“
„Sollten wir nicht besser zur Polizei gehen?“
„Ich weiß nicht“, sagte Simon Schweitzer leise und wußte es wirklich nicht.
„Vielleicht hilft ein Spaziergang. Die Sonne scheint.“
„Ja, Maria. Du bist klug.“
Maria fragte sich, wie er jetzt auf so was kam. Sie zahlte für beide. Tapfer stand Herr Schweitzer auf. Er linderte den Schmerz dadurch ein wenig, in dem er im Schuh die Füße so gut es eben ging nach hinten zur Ferse schob.
Automatisch schlug Simon Schweitzer den Weg zum Main ein, ohne daß sie sich auf ein Ziel geeinigt hätten. Maria ging wortlos neben ihm her. Kurz vor dem Eisernen Steg, in Höhe des schwimmenden Freiluftrestaurants mit angegliedertem Tretbootverleih konnte Simon Schweitzer nicht mehr. „Laß uns auf die Bank dort setzen.“ Dann zog er erleichtert seine Schuhe aus.
„Chic“, bemerkte Maria von der Heide.
„Nicht wahr.“ Er war unendlich dankbar für dieses, seine großen Zweifel beseitigendes Urteil. „Hab ich mir heute gekauft. Drücken vorne nur ein bißchen.“
„Ach, du Ärmster.“
„Ach, geht schon.“
Ein Ausflugsdampfer betätigte sein Signalhorn. Tauben suchten auf dem Gehweg Eßbares. Die Spitze des Frankfurter Doms wurde renoviert und war mit Gerüst und Planen bedeckt. Kein schönes Motiv für die vielen Touristen, die an Maria und Simon Schweitzer vorbeischlenderten. Herr Schweitzer hatte die Beobachtung gemacht, daß Asiaten immer auch ihre Reisegenossen mit auf Zelluloid bannen mußten oder sich von diesen mit ihren eigenen Apparaten ablichten ließen. Nur so ließ sich der lückenlose Beweis erbringen, daß man auch tatsächlich am River Main vor der Skyline zugegen war und für die derweil in der Heimat angefallenen Verbrechen ein stichhaltiges Alibi vorweisen konnte.
Nachdem man so eine Zeitlang seinen Gedanken nachgegangen war, sagte Maria unvermittelt: „Ich glaube, wir sollten damit warten, bis Klaus-Dieter wieder aufgetaucht ist.“
Simon Schweitzer brauchte eine Weile, bis er verstand, daß sie den im Windhuk unterbrochenen Gesprächsfaden wieder
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