Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
aufgenommen hatte. „Du glaubst, daß er noch am Leben ist?“
„Nein. Ich wollte es nur nicht so brutal ausdrücken.“
„Vielleicht sollten wir Karin einfach noch mal fragen, wie sie das meinte, als sie von den zwei Morden sprach.“
„Ja, aber da müßten wir auf einen lichten Moment warten. Und das kann bei ihrer jetzigen Verfassung dauern.“
Schweigen. Simon Schweitzer zog die Schnürsenkel aus den Ösen und steckte sie ein. Ein Schlauchboot der Wasserschutzpolizei drehte konzentrische Kreise bis jemand den Motor abwürgte und es flußabwärts trieb.
Herr Schweitzer, von Geburt an sensibel, kam zu der Erkenntnis, daß der Moment für Liebesgeflüster denkbar ungeeignet war. „Kommst du heute ins Weinfaß?“
„Ich wollte eigentlich noch ein bißchen arbeiten.“
Ach ja, das hatte er ganz vergessen zu fragen. Was arbeitet Maria eigentlich? Bei dem ganzen Gerede der letzten Tage zwischen ihnen war dieser Aspekt des Lebens völlig verdrängt worden. Schließlich konnte ja nicht jeder Privatier von Gottes Gnaden sein wie Simon Schweitzer. Er empfand es als unschicklich, ausgerechnet jetzt danach zu fragen. Vielleicht konnte man es ja so drehen, daß er längst wußte, von Bertha beispielsweise, womit Maria ihren Lebensunterhalt bestritt. Mal sehen.
„Vielleicht dann später noch“, gab er sich kompromißbereit.
Maria stand auf und zupfte und zog die straff gespannte Jeans erdwärts. „Ich muß jetzt gehen.“
„Ja, ich auch. Einkaufen und so.“
Gemeinsam schweigend gingen sie die Treppe hinauf. Es ging auch ohne Schnürsenkel. Beim Museum für Kunsthandwerk kürzten sie durch einen kleinen Park ab, und am Schweizer Platz verabschiedeten sie sich, weil Simon Schweitzer in einer sündhaft teuren Metzgerei noch einkaufen wollte. Eine Grüne Soße, die vor Kräutern nur so grünte, Wurst und Käse standen auf dem Einkaufszettel. Eier und Kartoffeln hatte es noch zu Hause.
Laura schien auf dem Weg der Besserung. Eine gewisse Frau Sanjukta G. gab ihre auf mikrotonale Feinheiten ausgerichtete Sangeskunst im Khyal-Stil zum Besten, was für ungeübte und ignorante europäische Ohren wie das Massaker an einer eben noch quietschvergnügten Schweinefamilie klang. Die Tür stand offen und Herr Schweitzer lugte hinein. Vom Bett aus winkte Laura, am Sprechen hinderte sie ein Fieberthermometer. Er winkte zurück und ging in die Küche die Einkäufe verstauen.
Bis zum Abendessen war noch reichlich Zeit, den heute morgen durch Marias Anruf abgebrochenen Schlaf nachzuholen. Verdient hatte er es allemal.
Das Leben besteht aus Wiederholungen. Erneut war es Maria, die ihn weckte. Noch vom Schlaf benommen war er zum Telefon geschlichen, wo sie ihm eröffnete, daß ein Wiedersehen heute abend im Weinfaß leider nicht stattfinden könne, weil Janina, die sie zum Putzen und Sichnützlichmachen zu Karin geschickt hatte, ganz aufgeregt angerufen habe und, soweit sie, Maria, das am Telefon nun verstanden habe, gesagt habe, daß Karin aufgrund einer vollends geleerten Flasche Grappa zusammengebrochen sei. Das müsse er verstehen, daß sie da unmöglich, wo doch ein Mensch ihrer Hilfe bedürfe, ins Weinfaß kommen könne. Selbstverständlich verstand das Simon Schweitzer, gleichsam seiner Ansicht nach Karin Schwarzbach ein ganz schönes Gedöns um die Tatsache machte, daß ihr Mann vermißt wurde und möglicherweise einem Kapitalverbrechen zum Opfer gefallen war. Aber Verständnis war etwas, und das wußte Herr Schweitzer nun ganz genau, worauf Frauen ein besonderes Augenmerk legten, gerade was ihre Paarungspartner anging. Man könne ein Wiedersehen ja für morgen ins Auge fassen, vereinbarte man abschließend.
Danach ging Simon Schweitzer zu Laura und fragte, ob sie einen Tee wolle und für wann er das Abendessen planen solle. Ja, und außerdem habe sie schon jetzt einen großen Hunger. Er ging also in die Küche und waltete seines Amtes.
Die Grüne Soße vom Hochpreismetzger hatte wie immer sehr gut geschmeckt. Herr Schweitzer räumte das Tablett von Lauras Bett und kochte noch einen Orangentee. Dann setzte er sich zu ihr ins Zimmer. Der Plüschelefant Bimbo lag auf dem Bettvorleger. Laura bat ihn, das Fenster der milden Abendbrise wegen einen Spaltbreit zu öffnen. In einem Hochhaus spiegelte sich die romantische Abendsonne in der Glasfassade und blendete Simon Schweitzer.
„Sag mal, was machst du eigentlich an deinem Geburtstag?“ fragte er, und ihm fiel ein, daß er sich bis dato noch keine Gedanken über ein
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