Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
schlicht und ergreifend der Humor und Simon Schweitzer war nicht in der Stimmung dazu. Also war er empört: „Ich mach keine Witze.“
„Dein Frühstück“, wechselte Angie das Thema.
Ach ja, das hatte er noch nicht angerührt. Herr Schweitzer köpfte das Ei, bestrich ein Laugenbrötchen mit Erdbeermarmelade und zuckerte den Kaffee. Trotz morbider Stimmungslage schmeckte es ihm. Angie mußte sogar noch eine Scheibe Vollkornbrot nachreichen.
Hans wechselte unterdessen von Kanal zu Kanal, bis es nichts Neues zu konsumieren mehr gab. Dann stand er auf und kam kurz darauf mit einem Briefumschlag wieder, den er seinem Schwager überreichte.
„Was ist das?“ wollte Simon Schweitzer wissen.
„Das restliche Geld von Karin Schwarzbach. Jetzt, da ihr Mann tot ist, brauchen wir ja nicht mehr nach ihm zu suchen.“
„Das macht Sinn“, bestätigte Herr Schweitzer.
„Die Rechnung ist auch drin. Wenn du Frau Schwarzbach siehst, kannst du ihr ja das Geld persönlich geben. Ansonsten bitte in ihren Briefkasten werfen.“
„Mach ich.“
Dann betrieb Simon Schweitzer noch zehn Minuten Anstands-konversation, bevor er sich für das Frühstück bedankte und verabschiedete. An der Haustür mußte er sich erst einmal wieder an das grelle Tageslicht gewöhnen. Vor dem Kaufhaus legte er demselben Schnorranten wie neulich ein paar Centmünzen in den Plastikbecher, woraufhin ihm ein Dankeschön hinterhergerufen wurde.
Herrn Schweitzer war das Glück nicht hold. War ihm der Hausmeister die letzten Tage nicht begegnet, so kam es heute knüppeldick. Heinz Rybelka erwischte ihn kalten Fußes am Briefkasten. „Oh, der Herr Schweitzer. Gut, daß ich Sie treffe.“ Simon Schweitzer widersprach innerlich. „Das ist ja ein Ding, das mit dem Schwarzbach, was? Hat wohl Dreck am Stecken gehabt, unser Herr Stadtverordneter, was? Wenn Sie mich fragen, stecken da die Kommunisten hinter. Können es wohl immer noch nicht verwinden, daß wir die DDR heim ins Reich geführt haben, was? Aber ich sag Ihnen, der Ivan ist noch nicht tot. Leben tut der. Im Untergrund und so. Alles schon infiltriert, Guillaume war nur der Anfang.“
Aus leidlicher Erfahrung wußte er, daß der Hausmeister durch Einwände, und derer hätte Simon Schweitzer viele gehabt, in seinem Redefluß nur noch mehr angestachelt wurde. So ließ er es gottergeben über sich ergehen und hoffte auf ein baldiges Ende der Tortur.
„Ich weiß von was ich rede. Mein Vater war in Stalingrad. Hat mir alles haarklein berichtet. Aber was erzähl ich Ihnen, Herr Schweitzer. Was erzähl ich ihnen. Wer könnte das besser beurteilen als Sie.“
„Ja, da haben Sie wohl recht.“ War’s das? Probehalber ging Simon Schweitzer einen Schritt zur Treppe. Nichts geschah. Zur Absicherung fügte er an: „Einen schönen Tag noch.“
„Ebenfalls, der Herr. Ebenfalls.“
Herr Schweitzer war heilfroh, einigermaßen glimpflich davongekommen zu sein. Es hätte schlimmer kommen können.
Laura saß in der Küche beim Frühstück. „Du bist schon auf? Ich dachte, du würdest noch schlafen.“
„Schwarzbach ist tot. Man hat seine Leiche gefunden.“ Das war natürliche keine Antwort auf ihre Frage. Aber andererseits, warum sollte er denn nicht schon aufgestanden sein, jetzt, da er vor Laura herumlief. Eigentlich, wenn man es recht bedachte, war es ja geradezu zwingend, schon aufgestanden zu sein, wenn man schon herumlief. Aber im Prinzip hatte Simon Schweitzer für diese Art von ausführlichen Exkursen über Logik keine Muße.
Es klingelte das Telefon. Meistens war es für Laura. Da aber unter normalen Umständen seine Mitbewohnerin um diese Tageszeit auf Arbeit weilte, ging Simon Schweitzer an den Apparat. Maria von der Heide. Man habe Karin Schwarzbach heute morgen die Todesnachricht überbracht. Daraufhin sei sie zusammengebrochen. Im Augenblick befand sie sich in Niederrad in der Neurologie. Angina pectoris in Verbindung oder aufgrund Neurasthenie, so genau hatte sie, Maria, das nicht verstanden. Auf jeden Fall sehr akut das Ganze. Sie komme gerade von da. Es täte ihr leid wegen gestern, aber man könne es doch heute nochmals versuchen miteinander, im Weinfaß, später, vielleicht so gegen zehn. Simon Schweitzer stimmte dem zu, und man verabschiedete sich voneinander.
Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, fragte sich Herr Schweitzer, ob man seine Beziehung zu Maria als soweit gediehen betrachten konnte, daß Maria davon sprechen durfte, man versuche es nochmals miteinander. Simon Schweitzer
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