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Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Titel: Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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geändert, nur das alte Häuschen hatte einen neuen Anstrich verpaßt bekommen. Als die Bahn wieder im Wald eingetaucht war, nahm Simon Schweitzer seine Gedanken wieder auf. Er fragte sich, und auch das nicht zum ersten Mal, wie weit er selbst damals zu einem Mord fähig gewesen wäre. Schließlich war es eine emotionsgeladene Epoche gewesen. Der heutige Simon Schweitzer konnte über den Idealismus von einst nur müde lächeln. Pubertäre Träumereien, der ersten Liebe nicht unähnlich. Aber vor mehr als zwanzig Jahren sah die Welt anders aus. Fast hätten sie gesiegt, hatte er lange Zeit danach noch gedacht. Heute wußte er, daß sie nie eine richtige Chance hatten. Zu keinem Zeitpunkt. Zur Not hätte man das Militär eingesetzt. Wie immer, wenn irgendwo auf der Welt ein Volk glaubt, natürliche Rechte zu besitzen. Ja, damals hätte Herr Schweitzer vielleicht zur Waffe gegriffen. Für Wut hatten die Herren Politiker schließlich ausreichend gesorgt. Aber zwei Polizisten erschießen, nur weil man an die wahren Schuldigen nicht herankam, war schon immer jenseits seiner Vorstellungskraft. Dazu gehörten Resignation und Wahnsinn. Und beides zusammen in Verbindung mit der Ausführung war nichts anderes als ein Amoklauf. Und ein Amoklauf, bei dem der Täter nicht identifiziert werden konnte, gab es das überhaupt? Stand nicht am Ende eines jeden Amoklaufs die Selbsttötung? Simon Schweitzer vermutete, daß nur eine Karin Schwarzbach bei Sinnen ein wenig Licht in das Dunkel hätte bringen können. Aber war Karin je bei Sinnen gewesen? Nein. Schließlich hatte sie ja Klaus-Dieter geheiratet, war Herrn Schweitzers vernichtendes Urteil. Man konnte also nur weiter warten, was die polizeilichen Ermittlungen so ergaben. Und immer horche und immer gucke.
    An der Haltestelle Louisa stieg ein Pärchen um die Dreißig ein. Auf ihrem Shirt stand Zicke, auf seinem Zickenbändiger. Das debile Grinsen von ihr wurde weltweit nur von seinem debilen Grinsen übertroffen. Willkommen in der gruseligen Wirklichkeit, sagte sich Herr Schweitzer und wußte, daß die Reise in die Vergangenheit fürs erste beendet war. Wirklich gebracht hatte sie ihm nichts. Er wußte sowenig wie vorher. Aber allein die Erkenntnis, gar nicht mehr wissen zu können, gereichte zur inneren Ausgeglichenheit.
    Beim Aussteigen bat ihn eine ältere Dame, ihr mit dem Einkaufswägelchen behilflich zu sein. Simon Schweitzer half gerne und erntete dafür ein dankbares, fast zahnloses Lächeln. Es war immer noch sehr heiß. Einem Mittagsschlaf stand nichts mehr im Wege.
    „Warst du schon mal indisch essen?“
    „In Indien.“
    Das war eine sehr törichte Frage, Herr Schweitzer, schalt sich Herr Schweitzer. Quasi der Gipfel an Schwachsinn, der ihm je in Form einer Frage über die Lippen gekommen war. Laura lag in ihrem Bett und hatte gelesen. Simon Schweitzer hatte seinen Schlaf beendet und wußte, daß er heute abend keine Lust zum Kochen haben würde. Deswegen hatte er Laura gefragt. Es war eine Einladung. „Natürlich. In Indien, wo sonst? Ich meine, ob du Lust hast, mit mir heute essen zu gehen. Indisch. Vielleicht ist’s gut für die Genesung.“ Er zwinkerte kumpelhaft mit dem linken Auge.
    „Oh fein. Das ist großartig. Ich bin zwar nicht mehr krank, aber schaden kann es nicht. Für wieviel Uhr soll ich mich fertig machen?“
    „Ich dachte, schon bald.“
    „Ist recht. Eine halbe Stunde, mehr brauch ich nicht.“
    Wie schnell Frauen doch in Notfällen sein können, dachte Herr Schweitzer. Phänomenal.
    Man speiste im Gateway to India, in der Nähe des Henninger Turmes, Sachsenhausens Wahrzeichen. Laura hatte einen Tandoori Mix gegessen und Simon Schweitzer sich an einem deliziösen und sehr scharfen Lamm Vindaloo erlabt. Dann hatte sie ihm erzählt, wen sie für Samstag alles eingeladen hatte. Außer ihrer Freundin Hella kannte er niemanden. Insgesamt sollten es ungefähr zehn Leute werden, für die er Partysalate vorzubereiten hatte. Das ging ja noch, das ließ sich ohne viel Streß in den Griff bekommen. Ein Geschenk hatte er allerdings immer noch nicht. Um zehn Uhr war Laura wieder zu Hause und Herr Schweitzer im Weinfaß. Blutrot war die Sonne untergegangen.
    Als Bertha ihn sah, ging sie flugs zur Garderobe und holte seine weiße Leinenjacke. „Die ziehst du jetzt an.“
    Sie klang wie ein Feldwebel beim Bund, wo er aber nie gewesen war. Man hatte Herrn Schweitzer einfach vergessen gehabt oder aus unerfindlichen Gründen einfach aussortiert. Kein

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