Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
musst doch auch deiner Mutter erst Bescheid sagen, wenn du auf Reisen gehst, oder? Ich schlage vor, wir befördern das Paket morgen gleich nach Schulschluss. Das heißt«, setzte er nachdenklich hinzu, »eigentlich genügt es doch, wenn ich es allein befördere. Wer hat denn gesagt, dass du mitkommen sollst?«
»Ich«, antwortete Ruth bestimmt, »schließlich kam die Idee mit dem Teppich von mir.
Und außerdem freut sich Simsala, wenn ich mitkomme.« Davon war allerdings auch Herr Martin überzeugt.
»Ganz schön frech«, brummte auf Feste Hokuspokus der alte Zauberer. Er saß mit seiner Kristallkugel in den Händen in der Turmstube und spielte »Hans-guck-in-die-Welt«. So jedenfalls nannte es Simsala, wenn sein Vater in die Kristallkugel schaute, in der er alles beobachten konnte, was er zu sehen wünschte.
An diesem Nachmittag hatte er, wie es manchmal vorkam, wieder das eigenartige Ziehen im linken kleinen Finger verspürt. Das signalisierte ihm immer, dass jemand etwas im Schilde führte, das auch ihn anging. Zufrieden lächelnd trat er wenig später in Simsalas Zimmer. Der Junge lag bis an die Nase zugedeckt im Bett und fieberte.
»Morgen bekommst du Besuch, Simsala«, sagte der alte Zauberer, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. »Besuch?«, hauchte das kranke Zaubererkind. »Wer soll mich denn besuchen?«
»Herr Martin und Ruth«, erwiderte sein Vater, »es sei denn, dass noch ein paar andere Kinder mitkommen wollen.«
»Ach, Papa«, flüsterte Simsala, »warum sagst du das? Die finden doch gar nicht her. Wie sollten sie's denn machen?«
»Du hast doch deinen fliegenden Teppich im Klassenschrank gelassen«, sagte der alte Zauberer, »damit werden sie es versuchen.«
»Aber du weißt doch selbst, dass das nicht geht.«
Simsala klang wirklich unglücklich. »Natürlich weiß ich das«, erwiderte der alte Zauberer schnell und strich dem fiebernden Kind liebevoll über die heiße Stirn, »aber man kann ihnen ja ein bisschen helfen, nicht wahr?«
»Würdest du das tun, Papa?«, rief Simsala, und auf einmal fühlte er sich fast gar nicht mehr krank. »O, du tust es, versprich es mir. Du tust es mit der Kristallkugel.«
»Ich tu's mit der Kristallkugel«, schmunzelte der alte Zauberer, »und ich verspreche dir, dass ich es tue. Morgen zum Mittagessen werden Herr Martin und Ruth unsere Gäste sein. Was meinst du, sollen wir ihnen zum Essen zaubern? Wie wär's mit -«
Aber das soll ja eine Überraschung sein. Warten wir also bis morgen.
Abra Kadabra Bim schaukelt die Sache
Nicht nur Ruth war an diesem Schulvormittag aufgeregt; auch Herr Martin musste seine Gedanken zusammenhalten, die sich fortwährend schon einmal auf die Reise zur Feste Hokuspokus begeben wollten. So verrechnete er sich gleich ein paar Mal hintereinander. Zehn weniger fünf, meinte er etwa, sei drei, zehn weniger zwei sei sechs und zehn weniger neun sei eins. Das war natürlich alles total falsch (oder?).
Die Erstklässler lachten ihn denn auch mit Begeisterung aus und nannten ihn den Rechenkünstler Simsalabim. Natürlich ging heute auch das »Viel Glück und viel Segen« im Kanon wieder schief, weil Herr Martin ganz falsche Einsätze gab. Frau Reinicke, der sie es vorsangen, weil sie Geburtstag hatte, war dennoch sehr zufrieden und schenkte den Erstklässlern selbstgebackene Hefeschnecken mit Zuckerguss.
Hinterher waren die Kinder nicht nur satt und fröhlich, sondern auch ziemlich klebrig. Das merkte Herr Martin, als er sie mit Handschlag verabschiedete. Deshalb schickte er Ruth noch einmal Hände waschen, ehe sie den Teppich aus dem Schrank holten.
Beiden schlug das Herz höher, als sie auf dem freien Platz hinter der Schule ausspähten, ob auch niemand sie sehen könnte, und dann den Teppich ausrollten. Obwohl Ruth ganz tapfer war, ergriff sie doch vorsichtshalber Herrn Martins Hand, bevor sie sich auf den Teppich kauerte. »Weißt du noch, wie Simsala den Teppich gestartet hat, Herr Martin?«, fragte Ruth aufgeregt. »Ich denke schon«, brummte der Lehrer. Aber er machte keine Anstalten loszufliegen. »Worauf wartest du denn?«, fragte Ruth. Und: »Worauf warten sie denn?«, fragte auf Feste Hokuspokus der kleine Zauberer, der sich mit seinem Vater über die Kristallkugel beugte.
Der alte Zauberer zuckte nur mit den Schultern. Der Lehrer aber erwiderte: »Haben wir nicht irgendetwas vergessen, Ruth? Ich habe das Gefühl, dass noch etwas fehlt.«
»Das Paket«, rief da das Mädchen, ließ die Hand des Lehrers
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