Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
in der Kristallkugel zu, wie der Teppich an Fahrt gewann und dabei immer höher stieg, höher und höher, bis er schließlich ganz nahe sein musste.
»Du müsstest ihn vom Balkon eigentlich schon sehen können«, meinte Abra Kadabra Bim, und Simsala eilte, um sich davon zu überzeugen.
Tatsächlich. Dort drüben kam der Teppich herangeschwebt. Ganz klein konnte Simsala schon zwei Gestalten darauf unterscheiden. Die Reisenden kamen zusehends näher.
Als sie in Rufweite waren, schrie Ruth: »Hallo, Simsala. Wir haben uns deinen Teppich geborgt, um dich zu besuchen. Du bist uns doch nicht böse, oder?« Und Herr Martin rief: »Potzblitz, ich weiß doch gar nicht, wie man landet.«
»Mit beiden Daumen nach unten weisen«, schrie Simsala ihm zu.
Er hatte für einen Augenblick ganz vergessen, dass sein Vater den Teppich lenkte.
Der Lehrer tat, was Simsala gesagt hatte, wies mit beiden Daumen nach unten und bemerkte erleichtert, dass der Teppich sich sanft niedersenkte. Auf dem Balkon direkt vor des kleinen Zauberers Füßen setzte er auf. Herr Martin und Ruth sprangen froh auf ihre Füße und reckten sich.
Auf Feste Hokuspokus
»Herzlich willkommen auf Feste Hokuspokus«, rief Sim-sala fröhlich und umarmte zuerst den Lehrer und dann Ruth. »Ist es nicht wunderschön bei uns?« Ruth war sich nicht so sicher. Über die Brüstung des Balkons sah sie in einen tiefen Abgrund hinab, so tief, dass sie den Boden unten fast nicht mehr erkennen konnte, und sonst war die Feste nur von zahllosen steilen Bergspitzen umringt, die zum Teil bis in die Wolken ragten. Hier und da flog ein einsamer Adler durch die Luft. Was der kleine Zauberer daran so wunderschön fand, konnte das Mädchen nicht erraten. Ihr war es etwas unheimlich hier.
Herr Martin aber sagte freundlich: »Sehr schön ist es bei euch, Simsala. So habe ich mir eine Zaubererfeste immer vorgestellt, aber ich bin noch nie auf einer gewesen. Wo liegt Feste Hokuspokus eigentlich?«
Simsala musterte den Lehrer verwundert.
»Na, hier doch«, sagte er, »hier«, und er wies mit beiden Armen um sich.
»Und wo ist das Wiesental?«, fragte Ruth.
»Nur auf dem Anmeldeformular«, antwortete Herr Bim,
der seine Kristallkugel versorgt hatte und nun ebenfalls auf den Balkon getreten war. »Man kann ja nicht gut schreiben: Hokuspokus in Nirgendwo. Was soll sich ein Schuldirektor darunter denn vorstellen? - Aber kommt doch herein«, forderte er die beiden Gäste auf, »es ist kühl hier oben, und außerdem sollten wir eine Kleinigkeit essen. Reisen macht hungrig, oder?« Ja, das stimmte. Ruth fühlte es auf einmal in ihrem Bauch ordentlich grummein.
Das Mädchen und Herr Martin folgten Herrn Bim und Simsala nun die zahllosen Stufen, die im Turm in einer schier endlosen Spirale zu den Wohnräumen hinunterführten.
»Puh«, pustete Ruth, als sie endlich unten angelangt waren. »Wie viele Stufen waren das denn?«
»Weiß nicht«, erwiderte Simsala schulterzuckend. »Wie viele meinst du denn, dass es sind?« Ruth schaute im Inneren der Wendeltreppe hinauf, sah sie kreisen und kreisen, als wäre es die Treppe ins Himmelreich, überlegte und sagte dann: »Na, vielleicht zwanzig. - Oder einunzwanzig«, setzte sie vorsichtshalber hinzu.
Herr Martin hatte das Gespräch der Kinder mit angehört. Jetzt schaltete er sich ein.
»Ich schätze, es sind eher hundertfünfzig oder sogar hundertachtzig Stufen«, riet er. »Was meinst du, Papa?«, fragte Simsala. »Dreihundertsiebzehn«, erwiderte der alte Zauberer wie aus der Pistole geschossen, »aber ihr zählt vielleicht lieber noch einmal nach, was meint ihr?« Die Kinder meinten auch, dass sie lieber noch einmal
nachzählen sollten. Flink sprangen sie also die Treppe wieder hinauf.
Oben sagte Simsala zu Ruth: »Zählen musst aber du. Ich kann's nur bis fünf.«
»Ich kann's nur bis zwanzig oder einundwanzig«, gestand das Mädchen beschämt.
»Das reicht nicht?«, erkundigte sich der kleine Zauberer. »Das reicht wahrscheinlich nicht«, bestätigte das Mädchen. »Was sollen wir da machen?« Sie überlegten hin und her. Endlich hatte Simsala den rettenden Einfall.
»Wir sagen einfach, Papa hat Recht«, schlug er vor. »Wahrscheinlich hat er auch Recht«, fügte er nachdenklich hinzu, » denn er hat eigentlich immer Recht.« So polterten die beiden die dreihundertsiebzehn ungezählten Stufen wieder hinunter.
Die beiden Männer waren inzwischen ins Wohnzimmer gegangen. Abra Kadabra Bim stellte dem Lehrer die Ahnen vor, deren
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