Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
anstelle des eigenen Gesichtes ein anderes erschien. Der Junge lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit auf alles, was der alte Zauberer ihm erklärte. Dann versuchte er es selbst.
Am Anfang wischte er zu langsam, und der Trick gelang nicht. Als er endlich die Bewegung schnell genug beherrschte, vergaß er, sich dabei zugleich das Gesicht vorzustellen, das er haben wollte.
Aber nach einer Reihe von Misserfolgen hatte es auf einmal geklappt.
»Ei, da ist ja unsere kleine Ruth wieder!«, lachte ihn sein Vater an.
Simsala war sehr stolz.
Nun aber fing ein Gesichterwischen an, dass einem gewiss die Sinne vergangen wären, wenn man dabei hätte zuschauen können.
Wo eben noch Herr Bim den Kopf in die Hand stützte, blickte auf einmal Rektor Häusler ernst auf das Tischtuch.
Aber nein, das war ja gar nicht der Rektor; es war die kichernde Trudel, die -. Halt, auch die Trudel war es nicht, sondern eindeutig Karl, der Hausmeister, der -. Schon wieder falsch: so schaute doch nur Lehrer Martin drein. Aber sah er nicht aus wie Frau Reiter? Ach was, wie Rüdiger mit dem goldenen Finger -. Nein, nein, wie Wachtmeister Hurtig.
Kurz: es war wie ein fortwährendes Kommen und Gehen von unerwarteten Besuchern. Das Einzige, was blieb, war das Gelächter der beiden Zauberer. Die ganze Feste Hokuspokus hallte davon wider.
Endlich rief Frau Reinicke lachend: »Schluss damit, und ab ins Bett. Morgen wirst du abgemeldet. Dann sehen wir weiter.«
Sie wischte sich über das Gesicht, und sogleich zeigten sich die Züge des alten Zauberers. Ihm gegenüber tauchte jetzt auch Simsala wieder auf. Eben hätte man noch meinen können, an seinem Platz säße das Fräulein Lämmer. Gehorsam folgte der Junge den Worten der Putzfrau, zauberte sich die Zähne sauber, vergaß das Waschen, küsste seinem Vater »Gute Nacht« und verschwand ins Bett.
Böse Träume
Als er schon längst unter der Bettdecke lag, musste Sim-sala immer noch kichern. Wie lustig und abwechslungsreich war das Gesichterwischen gewesen! In der Nacht aber schlief der kleine Zauberer schlecht. Er warf sich unruhig im Bett hin und her und träumte immer wieder von der Schule. Doch das waren keine schönen Träume.
Er war in der la. Alle Kinder wussten, dass Simsala in der Klasse war, aber niemand konnte ihn erkennen. Selbst der kleine Zauberer schaute sich im Traum vergebens um; auch er konnte nicht herausfinden, welcher der Erstklässler er war. Da klopfte es an die Tür. Alle Kinder sprangen auf und riefen, während Herr Martin dazu wild mit den Armen fuchtelte: »Gu-ten Mor-gen Sim-sa - la!«
In der Tür erschien aber gar nicht der kleine Zauberer, sondern Rektor Häusler. Er lachte die Kinder an. Dann warf er die Arme in die Höhe, und plötzlich regnete es Schokoladentaler. Doch als die Erstklässler sie in den Mund steckten, war die Schokolade hart wie Stein.
Simsala wachte auf. Da waren die la und der Rektor verschwunden. Seufzend drehte sich das Kind auf die andere Seite. Aber kaum war der Junge wieder eingeschlafen ging es aufs Neue los.
Im Schulhaus begegnete er Frau Reinicke. Die Putzfrau musterte den kleinen Zauberer von oben bis unten und rümpfte dann die Nase.
»So, wie du aussiehst, kannst du aber nicht in deine Klasse gehen«, sagte sie streng.
Simsala musste ihr in den Heizungskeller folgen. Dort steckte sie das Kind kurzerhand in eine Wanne mit schäumendem Wasser. Sie nahm einen Waschlappen und fuhr ihm damit über das Gesicht - immer wieder, immer wieder. »So, mein Lieber«, sagte sie endlich, »jetzt kannst du springen.«
Der kleine Zauberer befühlte vorsichtig sein Gesicht. Seine Fingerspitzen fanden keine Nase und kein Kinn. Alles war schrecklich glatt. Frau Reinicke hatte ihm das Gesicht weggewaschen.
Wieder fuhr Simsala da aus dem Traum empor. Miau, der schwarze Kater, der den schlafenden Jungen geleckt hatte, sprang erschrocken davon und suchte sich einen sicheren Winkel.
»Urgroßvater, lass das doch«, murmelte Simsala. Er wälzte sich eine Weile unruhig hin und her, dann schlief er wieder ein.
Und wieder sah er sich im Traum in der Schule. Jetzt war die la fleißig beim Schreiben. Alle Kinder hatten goldene Stifte in der Hand und schrieben Z-Blitze in ihre Hefte. Jedesmal, wenn ein Blitz fertiggemalt war, rumpelte es leise in der Klasse.
Der kleine Zauberer aber saß nicht auf seinem Platz neben Ruth, sondern oben in einer Zimmerecke im Schwalbennest. Er versuchte, sich durch Winken und Rufen bemerkbar zu machen. Aber nicht einmal
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