Simulacron-Drei
und Limpy kam herüber.
»Würden Sie bitte Mr. Hall sagen, wer in den letzten fünf Jahren Leiter des Sicherheitsdienstes in seinem Unternehmen war?«
Limpy deutete mit dem Daumen auf einen mürrischen, älteren Mann am Ende der Theke.
»Joe Gadsen.«
»Und jetzt geben Sie Mr. Hall den Pokal.«
Ich las die Inschrift: ›Avery Collingsworth – Juni 2033.‹
Der Raum kippte, drehte sich wie rasend, und der starke Tabakgeruch schien emporzuquellen und mich in einen Nebel einzuhüllen. Die Musik erstarb, und das Letzte, an was ich mich erinnere, war, daß ich mich an der Theke festhielt. Ich schien aber nicht ganz bewußtlos geworden zu sein. Als ich wieder zu mir kam, stieß ich auf dem Ruheband in der Nähe des langsamsten Fußgängerstreifens mit jemandem zusammen. Ich prallte zurück und lehnte mich an eine Hauswand – mehrere Blocks von der Rauchkneipe entfernt.
Es mußte wieder ein Anfall gewesen sein – bei dem ich aber Herr meiner selbst geblieben war. Avery war sicher gar nichts Besonderes aufgefallen. Und hier stand ich – plötzlich wieder bei Bewußtsein, verwirrt und zitternd, zum abendlichen Himmel hinaufstarrend.
Ich dachte hilflos an Lynch, an seinen Namen auf dem Pokal, an Fullers Zeichnung. Waren sie wirklich verschwunden? Oder hatte ich mir das alles nur eingebildet? Warum schienen Ordnung und Vernunft plötzlich zusammenzubrechen?
Ratlos überquerte ich die Umsteigeplattform und machte mich auf den Weg zur anderen Straßenseite. Der Verkehr war gering, und auf die große Landefläche in der Mitte senkten sich kleine Flugwagen nieder. Bis ich nur noch sechs Meter davon entfernt war.
Dann stürzte ein Flugwagen aus der Dunkelheit herab, mit kreischender Notsirene. Offenbar steuerlos schwankte er bedenklich hin und her und glitt abseits vom Leitstrahl geradewegs auf mich zu.
Ich hechtete zum Schnellband. Die plötzliche Beschleunigung hätte mich beinahe unter den herabstürzenden Flugwagen geschleudert. Aber ich klammerte mich fest, und es gelang mir schließlich, mich aufzusetzen und nach hinten zu sehen.
Der Flugwagen federte automatisch mit einem Gebläsestoß ab, der den Sturz zwei Zentimeter über der Straße abfing.
Wenn ich nicht blitzartig reagiert hätte, wäre ich von den Drehflügeln zerfetzt worden.
4
Eine lange Reihe von Alpträumen, in denen alles, was ich zu fassen versuchte, unter meinem Griff zerbröckelte, verhinderte erholsamen Schlaf bis in die frühen Morgenstunden. Aus diesem Grund verschlief ich und mußte auf das Frühstück verzichten.
Auf dem Flug in die Stadt mied ich jedoch auf Kosten einer weiteren Verzögerung die stark besetzten Verkehrsebenen, während meine Gedanken um das Erlebnis vom Vorabend kreisten.
Bestand ein Zusammenhang mit den anderen Vorgängen? War der Flugwagen bewußt zum Absturz gebracht worden?
Ich schüttelte meinen Argwohn ab. Das konnte einfach keine Absicht gewesen sein. Andererseits war Dr. Fuller durch einen Unfall ums Leben gekommen, der ebenfalls nicht arrangiert worden sein konnte. Dann war da noch Lynchs Verschwinden. Verbarg sich auch dahinter eine unerklärliche Absicht? Und wie ließ sich verstehen, daß drei von Lynchs engsten Bekannten auf einmal nie von ihm gehört haben wollten?
Entsprachen alle diese unglaublichen Dinge einer obskuren Information, die Fuller an Lynch weitergegeben hatte? Einem Wissen, das zuerst dem einen, dann dem anderen Besitzer zum Verhängnis geworden war? Ich versuchte, das Ganze in einen logischen Zusammenhang zu bringen, hatte aber keinen Erfolg. Die geänderte Plakette auf dem Pokal drängte sich immer wieder in den Vordergrund meiner Aufmerksamkeit, schleppte eine jetzt nicht mehr existierende Zeichnung und einen wieselartigen kleinen Mann mit sich, der selbstzufrieden auf seinem Hocker gesessen hatte, während Limpy ihn als Leiter des Sicherheitsdienstes der TEAG bezeichnete.
Das alles deutete auf nichts weniger als – das Außerphysische. Ich war dieser Vermutung so lange ausgewichen wie nur möglich. Aber welche Erklärung gab es sonst?
Jedenfalls schien eines nicht unwahrscheinlich zu sein: Fuller und Lynch waren auf ›geheime Informationen‹ oder ›grundlegende Entdeckungen‹ gestoßen – man konnte es nennen, wie man wollte. Was würde geschehen, wenn ich in den Besitz dieser Informationen gelangen sollte? Oder auch nur fortfuhr, Interesse dafür zu bezeugen? War der Vorfall mit dem Flugwagen nur ein Vorgeschmack?
Ich steuerte mein Fahrzeug auf den Parkplatz der TEAG
Weitere Kostenlose Bücher