Simulacron-Drei
hatten die Interviewer mehr Macht, als Sie erwartet haben.«
»Aber das versteh ich nicht. Hartson versicherte mir, er habe den ganzen Ausschuß in seiner Tasche.«
Ich hob die Schultern.
»Es hat eben nicht geklappt. Jetzt kann die Meinungsforscher nichts mehr von einem Streik abhalten.«
»Da würde ich mir nicht so sicher sein.« Er grinste plötzlich. »Trauen Sie sich zu, die Anwendung des Simulators für die Gestaltung der menschlichen Beziehungen im nächsten Jahrtausend klar darzustellen?«
Verwirrt erwiderte ich: »Ich habe meine Überzeugungen. Aber zu einer Rede wird es wohl nicht reichen.«
»Genau das stell’ ich mir vor. So wird man wenigstens die Ehrlichkeit heraushören.«
Er sagte scharf ins Mikrophon: »Herein mit ihnen!«
Sie kamen herein – ein ganzer Schwarm von Fotografen und Reportern, Fernsehkameraleuten und Kommentatoren. Sie versammelten sich um den Schreibtisch, in engem Halbkreis.
Siskin hob die Hand.
»Wie Sie wissen«, sagte er, »ist die TEAG von Seiten des Verbandes der amtlichen Test-Interviewer starkem Druck ausgesetzt. Man wird einen Streikaufruf erlassen und uns in ein wirtschaftliches Chaos stürzen, wie es heißt, wenn wir den Laden nicht zumachen und unser Land des größten sozialen Fortschritts dieses Zeitalters berauben.«
Er stieg auf einen Stuhl und überschrie das skeptische Stimmengemurmel.
»Schon gut, ich weiß, was Sie denken: Daß es sich hier um einen Reklametrick handelt. Das trifft nicht zu! Ich kämpfe, um unseren Simulator – Ihren Simulator – zu retten, weil er nicht einfach eine profitbringende Maschine ist. Mit diesem Instrument werden wir nämlich eine hellere, ganz neue Zukunft für die Menschheit schaffen! Mit ihm können wir uns den Gipfeln nähern, die noch niemand betreten hat!«
Er machte eine Pause, dann fuhr er fort: »Ich überlasse es der treibenden Kraft hinter dem Umwelt-Simulator, Ihnen die Einzelheiten zu berichten – Douglas Hall.«
Siskins Strategie war nicht schwer zu durchschauen. Wenn er der Öffentlichkeit eintrichtern konnte, daß sein simulektronisches Wunderwerk am Fließband schimmernde Heiligenscheine für die Menschheit fertigen würde, vermochte es niemand mehr mit der TEAG aufzunehmen – nicht einmal die Test-Interviewer.
Ich sah unsicher in die Kameras.
»Der Simulator bietet uns auf dem Gebiet der menschlichen Zwischenbeziehungen ungeahnte Möglichkeiten. Darauf kam es Dr. Fuller vor allem an.«
Ich verstummte, weil mir plötzlich etwas bewußt wurde, das ich bisher nicht begriffen hatte: Wenn die öffentliche Meinung den Angriff des VTI abzuschlagen vermochte, würde sie auch in der Lage sein, die alleinige Verwendung des Systems für die Besserung menschlicher Beziehungen durchzusetzen. Die Menschen würden sich wutentbrannt gegen den Konzern erheben, sobald ich mich entschied, ihnen zu sagen, daß Siskins Maschine nur seinem politischen und persönlichen Ehrgeiz dienen sollte.
Voll Eifer fuhr ich fort: »Wir haben es hier mit einem chirurgischen Instrument zu tun, das selbst die Seele zu sezieren vermag. Es kann ein menschliches Wesen auseinandernehmen. Motiv für Motiv, Instinkt für Instinkt. Es kann den Kern fundamentaler Antriebe, Ängste und Absichten bloßlegen. Es kann aufspüren, studieren, analysieren, klassifizieren und uns zeigen, wie mit jedem beliebigen Charakterzug aller Einzelpersonen zu rechnen ist. Es kann die Ursachen von Vorurteilen, Haß, Bigotterie aufdecken und erklären. Durch das Studium von Analog-Wesen in einem simulierten System sind wir in der Lage, das gesamte Spektrum menschlicher Beziehungen zu erforschen. Durch die Beschäftigung mit diesen Analog-Einheiten können wir nicht nur den Beginn, sondern auch jeden einzelnen Schritt in der Entwicklung unerwünschter, antisozialer Tendenzen beobachten.«
Siskin trat vor.
»Sie sehen, meine Herren, daß Mr. Hall fanatische Ansichten vertritt, was dieses Thema angeht. Aber der Siskin-Konzern möchte es gar nicht anders haben.«
Ich sprach weiter.
»In der genau geplanten Umwelt des Simulators wollen wir verschiedene Reaktions-Einheiten isolieren, von den Analog-Kindern aufwärts in jeder Altersgruppe. Systematisch werden wir sie mit allen erdenklichen Stimuli zuerst in die eine, dann in die andere Richtung treiben und so die besten und auch die schlechtesten Seiten in ihnen zum Vorschein bringen. Wir hoffen das Studium menschlichen Verhaltens um Jahrtausende voranzubringen.«
Was ich da von mir gab, war nichts Originelles.
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