Sina auf heißer Spur
vor Zetteln, Rechnungen, Kassenbons, Schriftstücken, Broschüren, Bonbonpapieren, Zeitschriften und Formularen. Und in den Fächern darunter fand sich das gleiche Chaos.
âIn den Schränken siehtâs nicht anders ausâ, sagte David. âEin unglaubliches Durcheinander. Ich sollte es meiner Mutter mal zeigen. Gegen das hier ist mein Zimmer ein Paradies der Ordnung und Sauberkeit.â
Sina starrte in den kleinen Schrank neben dem Schreibtisch. CD s ohne Hüllen, CD -Hüllen ohne CD s, Stifte ohne Deckel und Deckel ohne Stifte. Bilder, Zeitungsfetzen, Kopien, Notizen und Prospekte.
Das war das Geheimnis hinter Roberts Ordnung: Er stopfte einfach alles in Schubladen und Schränke.
Sina ging vor den offenen Schreibtischschubladen in die Hocke. Sie zog eines der Blätter aus dem Gewühl. âZweite Mahnungâ, las sie laut vor. âSehr geehrter Herr Hansen, in unserem Schreiben vom 30.08.2011 haben wir Sie bereits daran erinnert, dass Ihre Rechnung vom 02.06.2011, Reg.-Nr. 30/3229, über den Betrag von EUR  9,99 noch offen steht â¦â Sie lieà das Blatt wieder zurück auf den Stapel fallen.
âEine Mahnung über 9,99 Euroâ, sagte David. âOb er die Rechnung wohl inzwischen bezahlt hat oder ob bald der Gerichtsvollzieher hier aufläuft? Na, in diesem Saustall kann ja auch keiner den Ãberblick bewahren.â
Sina wühlte weiter in der Schublade. Sie zog hier ein Blatt heraus, da einen Zettel. Irgendwann warf sie alles wieder entnervt zurück. âDas hat doch keinen Sinn. Man bräuchte ein ganzes Durchsuchungskommando, um hier was zu finden.â
âHm.â David lieà sich neben ihr nieder. âVielleicht sollten wir ja einfach mal systematisch überlegen. Bevor wir uns die Finger wund suchen.â
âSystematisch? Was hat denn dieses Chaos mit System zu tun?â
âJeder Mensch hat irgendein Systemâ, sagte David. âUnd gerade Leute, die so unordentlich sind wie Robert, haben immer einen bestimmten Ort, wo sie die wirklich wichtigen Dinge hintun.â
âAha. Und wo ist dieser Ort deiner Meinung nach? Im Mülleimer?â
David schüttelte geistesabwesend den Kopf. Er dachte nach. âRobert hat so eine Mappeâ, sagte er nach einer Weile. âEine Vorlagemappe, wie mein Vater sie auch hat.â
âEine Vorlagemappe? Was ist das denn?â
âSo ein Ordner mit verschiedenen Fächern. Die Sekretärin meines Vaters legt ihm da die Schriftstücke und Briefe rein, die er unterschreiben muss. Robert hat keine Sekretärin, die ihm irgendetwas vorlegen könnte. Deshalb ist mir das Ding ja auch aufgefallen. Weil es eigentlich keinen Sinn macht.â
âUnd wo steckt diese Mappe?â Sina blickte sich suchend um. Sämtliche Ablagen waren leer geräumt.
David durchsuchte den groÃen Bücherschrank an der Wand. âHier ist sie auch nicht.â
âVielleicht hat er sie mitgenommen.â
âGlaub ich nicht.â Sein Blick wanderte durch den Raum und blieb an der Küchenzeile hängen. âDa haben wir sie ja.â
Er ging mit groÃen Schritten zu dem Regal über der Kaffeemaschine, auf dem Kochbücher standen â zusammen mit der Vorlagemappe.
âNa bitte.â
David legte die Mappe auf Roberts Schreibtisch, Sina schlug sie auf.
âEine polizeiliche Verwarnungâ, murmelte sie. âSiebzig Euro fünfzig, da ist er aber ordentlich gebrettert.â
David blätterte um.
âHier ist eine letzte Mahnung. Und dahinter noch eine.â
âOffensichtlich zahlt er immer erst nach der dritten Mahnungâ, sagte Sina. âVorher schaffen es die Rechnungen gar nicht in die Vorlagemappe.â
Im letzten Fach der Mappe fanden sie einen Brief. Er war handgeschrieben und brach nach ein paar Zeilen ab.
âLiebste Sueâ, las Sina laut vor. âIch bin ein Riesenidiot. Ich habe mich unmöglich benommen und verstehe wieder mal nicht, wie es dazu kommen konnte. Es tut mir entsetzlich leid. Ich weiÃ, dass du meine Entschuldigungen nicht mehr hören willst und kannst. Aber glaub mir, dieses Mal â¦â Betroffen sah sie David an. âHier ist der Brief zu Ende.â
âSteht da ein Datum drauf?â
Sina schüttelte den Kopf. Sie musste plötzlich daran denken, wie Sue gestern ihren Kopf an Roberts Schulter gelegt hatte. Einen Moment lang hatten beide so glücklich
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