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Sind Sie hochsensibel?

Sind Sie hochsensibel?

Titel: Sind Sie hochsensibel? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mvg verlag
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brauchen sie allerdings auch immer jene Gruppe von Priestern, Richtern und Beratern. Diese balancieren das Gleichgewicht zwischen Königen und Kriegern aus (so wie das höchste US-Gericht das Gleichgewicht zwischen dem Präsidenten und seinen Streitkräften schafft). Diese Gruppe ist nachdenklicher und darauf bedacht, die Beweggründe der kriegerischen Könige zu überprüfen. Da diese Ratgebenden oft Recht behalten, werden sie als Anwälte, Historiker, Lehrer, Ausbilder und als Hüter der Gerechtigkeit respektiert. Sie besitzen beispielsweise die Weitsicht, das Wohlergehen des gemeinen Volkes im Auge zu behalten, denn von diesem ist die Gesellschaft abhängig – es bestellt die Felder und zieht die Kinder groß. Die Berater warnen aber auch vor übereilten Kriegen und vor der Ausbeutung der Umwelt.
    Kurz gesagt, es besteht eine große Gruppe königlicher Berater darauf, inne zu halten und nachzudenken. Heute bemühen sich die Ratgebenden darum, dass die Expansionsenergie ihrer Gesellschaft weniger für aggressives Machtstreben und mehr fürkreative Erfindungen, Forschungsvorhaben und für den Schutz der Erde und der Schwachen eingesetzt wird – und dies geschieht, wie ich denke, mit wachsendem Erfolg. 31
    HSM neigen dazu, diese Rolle auszufüllen. Wir sind die Schreiber, Historiker, Philosophen, Richter, Künstler, Forscher, Theologen, Therapeuten, Lehrer, Eltern oder ganz einfach gewissenhafte Bürger. Was wir für jede dieser Tätigkeiten mitbringen ist die Tendenz über die verschiedenen Auswirkungen einer Idee nachzudenken. Oft machen wir uns dadurch unbeliebt, dass wir versuchen die anderen von vorschnellen Handlungen abzuhalten. Um unsere Aufgabe gut ausführen zu können, müssen wir ein starkes Selbstbewusstsein haben. All das Gerede der Krieger, wir seien nicht so gut wie sie, darf uns nichts ausmachen. Krieger haben einen unerschrockenen Charakter, was durchaus Vorteile hat, aber auch wir haben unsere spezifische Art und leisten unseren eigenen Beitrag zum Wohl der Gesellschaft.
    Der Fall von Charles
    Von den HSM, die ich interviewt habe, war Charles einer der wenigen, der wusste, dass er schon sein ganzes Leben lang sensibel gewesen war und der es immer als etwas Positives angesehen hatte. Seine ungewöhnliche Kindheit und ihre Folgen sind ein gutes Zeugnis dafür, wie wichtig Selbstachtung und ein positives Erleben sozialer Kontakte sind.
    Charles ist zum zweiten Mal glücklich verheiratet und erfreut sich eines gut bezahlten und geschätzten akademischen Berufs im Dienst der humanistischen Bildung. In seiner Freizeit spielt er sehr talentiert Klavier. Er empfindet seine Begabungen als vollkommen ausreichend und erkennt in ihnen den Sinn seines Lebens. Nachdem ich das alles zu Beginn unseres Gesprächs erfahren hatte, war ich neugierig die Hintergründe kennen zu lernen.
    Ich frage in meinen Interviews immer nach dem frühesten Kindheitserlebnis. Selbst wenn es nicht wirklich das erste ist, soist doch das Ereignis, an das man sich erinnert, irgendwie bestimmend für das ganze Leben. Dies ist Charles frühestes Erlebnis: Er steht auf dem Bürgersteig hinter einer Menschenmenge, die die Weihnachtsdekoration in einem Schaufenster bewundert. Er schreit: „Alle mal weg da, ich will das auch sehen!“ Die Leute lachen und lassen ihn nach vorne.
    Was für ein Selbstbewusstsein! Diesen Mut, so unerschrocken loszureden, muss man vor dem Hintergrund seines Zuhauses betrachten: Charles Eltern waren von seiner Sensibilität entzückt. In ihrem Freundeskreis – einem künstlerischen, intellektuellen Umfeld – wurde Sensibilität mit besonderer Intelligenz, exzellentem Geschmack und guter Herkunft assoziiert. Anstatt darüber beunruhigt zu sein, dass Charles lieber lernte als mit anderen Jungen zu spielen, ermutigten sie ihn noch dazu, mehr zu lesen. Für sie war Charles der ideale Sohn.
    So lernte Charles an sich selbst zu glauben. Er wusste, dass er ästhetische und ethische Werte schon in frühester Kindheit kennen gelernt und verinnerlicht hatte und sah sich in keinster Weise mit einem Makel behaftet. Es wurde ihm zwar schließlich klar, dass er irgendwie ungewöhnlich und Teil einer Minderheit war – aber sein persönliches Umfeld war ebenso ungewöhnlich und hatte ihm beigebracht, sich als überlegen und keineswegs minderwertig zu betrachten. Er fühlte sich unter

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