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Sind Sie hochsensibel?

Sind Sie hochsensibel?

Titel: Sind Sie hochsensibel? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mvg verlag
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Alpträume.
    Wie erwartet, kam er um fünf Uhr morgens leise weinend in unser Zimmer. Als er die falschen Leute im Bett seiner Eltern sah, verwandelte sich sein verschlafenes Gähnen in gellendes Schreien. Ich habe zwar keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging, aber ich vermute so etwas wie: „Achtung! Mama ist verschwunden! Schreckliche Wesen haben ihren Platz eingenommen!“
    Die meisten Eltern sind sich einig, dass alles leichter wird, wenn ein Kind erst einmal den Sinn von Worten begreift. Dies trifft noch mehr auf ein hochsensibles Kind zu, das in seiner eigenen Vorstellungswelt gefangen ist. Bei Rob bestand mein Trick darin, ein paar besänftigende Worte zwischen seine Schluchzer zu schieben.
    Zum Glück hatte er einen großartigen Sinn für Humor. Deswegen erinnerte ich ihn daran, dass ich an einem Abend kurz zuvor bei ihnen babysitten war und den beiden Kekse als Appetitanreger vor dem Abendessen serviert hatte. Er schluckte, starrte mich an und grinste dann. Irgendwo in seinem Gehirn wurde ich dann verschoben aus der Rubrik „Ungeheuer“ hin zu „dumme Elaine“.
    Ich fragte ihn dann, ob er bei uns bleiben wolle, aber ich wusste, dass er sein eigenes Bett vorziehen würde. Kurz danach schlief er dort wieder selig.
    Am Morgen kam dann auch Rebecca herein. Als sie sah, dass ihre Eltern nicht da waren, lächelte sie und sagte: „Hallo Elaine, hallo Art!“ und ging wieder hinaus. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen HSM und Nicht-HSM ganz deutlich.
    Es tut weh sich vorzustellen, was hätte passieren können, wenn ich eher der Typ wäre, der Rob angebrüllt hätte den Mund zu halten und wieder ins Bett zu gehen. Er hätte wahrscheinlich genau das gemacht und sich in seine gefährliche Erlebniswelt zurückverdammt gefühlt. Geschlafen hätte er jedoch nicht. Gedanklich hätte er sich wahrscheinlich stundenlang mit dem Ereignis auseinander gesetzt und wäre wohlmöglich auch noch zu dem Schluss gekommen, an der Sache selbst irgendwie schuld zusein. Körperlich schmerzvolle oder seelisch traumatische Erlebnisse sind bei sensiblen Kindern gar nicht erst erforderlich, um ihnen Angst vor der Dunkelheit einzujagen.
    Um unser Bild von Rob abzurunden
    Wenn die Zwillinge während ihres ersten Lebensjahres mit ihren Eltern tagsüber draußen waren, war Rebecca von der Fahne fasziniert, die vor dem mexikanischen Restaurant hin- und herwehte – Rob dagegen brachte sie zum Weinen. Im zweiten Jahr war Rebecca von Meereswellen, Karussells und dem Haareschneiden entzückt, während Rob zumindest anfangs Angst davor hatte. Ähnlich verhielt es sich am ersten Tag im Kindergarten oder verursacht durch Reize, denen er an Geburtstagen und in den Ferien ausgesetzt war. Außerdem entwickelte er Ängste vor Tannenzapfen, vor den Figuren am Kopfende seines Bettes und vor den Schatten an der Wand. Diese Ängste erschienen uns unrealistisch und seltsam, aber für Rob waren sie offensichtlich real.
    Kurzum: Robs Kindheit war ein bisschen schwierig für ihn und für seine liebevollen, standfesten und kompetenten Eltern. Die kompliziertesten Seiten, egal welchen Temperaments, offenbaren sich nämlich eher dann, wenn das Elternhaus in Ordnung ist – so unfair das auch ist. Herrschen schwierige Bedingungen im Elternhaus, wird schon der Säugling alles tun, um sich seinen Bezugspersonen anzupassen. 34 Seine tatsächliche Persönlichkeit bleibt lange versteckt und gelangt auf die eine oder andere Weise erst später an die Oberfläche. Sie äußert sich dann vielleicht in stressbedingten körperlichen Symptomen. Rob jedoch kann der sein, der er ist, und deshalb ist seine Sensibilität für alle offensichtlich. Er kann seine Gefühle ausdrücken und daraus lernen, was funktioniert und was nicht.
    Zum Beispiel fing er in seinen ersten vier Lebensjahren jedes Mal fürchterlich an zu schreien, wenn ihn seine Gefühle überwältigten. Dann halfen seine Eltern ihm geduldig dabei, sich unterKontrolle zu bringen. Mit jedem weiteren Monat schien er besser in der Lage zu sein nicht mehr überzureagieren. Wenn er sich beispielsweise einen Film mit ängstigenden oder traurigen Szenen ansah, lernte er sich die Worte vorzusagen, die seine Eltern gebrauchen würden, wie „Es ist doch bloß ein Film!“ und „Ich weiß zum Glück, dass der Film gut ausgeht.“. Manchmal hielt er sich auch

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