Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
Vom Netzwerk:
das der Zukunft?
    Das ist für mich die einzig mögliche Interpretation, denn wie sonst wäre es den Weisen des Altertums möglich gewesen, bis heute unübertroffene und unumstößliche Wahrheiten zu formulieren? Heutzutage leiden wir unter einer Wissensüberflutung, 10 000 Bücher gibt es an jeder Ecke, und Reisen von 10 000 Lilassen sich leicht bewerkstelligen. Die eigene Denkfähigkeit jedoch hat nachgelassen. Jeder meint, er könne sich zum Laozi des anderen machen, doch wenn er die Werke der Alten wie das Daodejing (Taoteking) aufschlägt, muss er feststellen, dass er sich gegen die alten Philosophen wie ein Waisenknabe ausnimmt. Laozi saß damals vielleicht einfach nur meditierend da, allein mit sich und der Welt, und dabei erfasste er alles.
    Blättert man die erste Seite des Daodejing auf, sind schon die ersten sechs Schriftzeichen ein ganzes Universum: »Dao ke dao, fei chang dao.« (»Das Dao, das man benennen kann, ist nicht das gewöhnliche Dao.«) Das ist die übliche Kommasetzung in diesem Satz. Aber einmal ging jemand her und veränderte zum Spaß die Kommasetzung. Er machte daraus: »Das Dao kann, das Dao vermag nichts, gewöhnliches Dao.« Das hieße etwa so viel wie: »Jede Sache wird von dem einen gut, dem anderen schlecht beurteilt, das ist ganz normal.«
    Ich war erst überrascht, dann begriff ich – vielleicht war das kein probates Vorgehen, aber die Möglichkeit der Veränderung der Bedeutung der sechs Zeichen auf so einfache Weise war eine Freude und eine Herausforderung zugleich.
    Dann gibt es noch eine Aussage im Daodejing , bestehend aus fünf Schriftzeichen, etwas, nach dem ich lange gestrebt und es nie erreicht habe: »Wusi er dasi.« (»Wer selbstlos ist, hat den größten Nutzen davon.«) Stimmt, wer wirklich uneigennützig ist, erreicht tatsächlich am meisten. Diese fünf Schriftzeichen gingen mir schon beim ersten Lesen durch und durch. Danach habe ich versucht, nie wieder nur für mein eigenes Wohl zu kämpfen.
    Unsere Weltanschauung sollte daher auch vom Studium Laozis ausgehen. Die Leute dazu bringen, ohne Eigennutz zu handeln, hieße, dass sie genauso eigennützig, korrupt und machtbesessen bleiben können, wie sie wollen, aber nur die Perspektive ändern müssten – wenn dich der größte Eigennutz antreibt, dann mach zu seiner Prämisse die Selbstlosigkeit. Viele könnten sich mit diesem Gedanken anfreunden oder zumindest nachdenklich werden. Das wäre die beste Art der ideologischen Erziehung.
    Im Daodejing heißt es außerdem: »Der weiseste Herrscher erwartet nicht, vom Volk ständig als guter Herrscher gepriesen zu werden, sondern dass das Volk seine Existenz gar nicht bemerkt, während er für geordnete Verhältnisse sorgt.« Beim Lesen dieses Satzes kann man nur zustimmend lächeln.
    Der moderne Mensch hält sich für klug und rennt allenthalben mit dem Kopf gegen die Wand, aber unsere Vorfahren haben längst in stiller Übereinkunft alle Fragen für uns geklärt und gewusst, dass ein Fehler kein Grund zur Sorge ist. An der Wand, an der du dir schmerzhaft den Kopf gestoßen hast, warten schon Laozi & Co. geduldig auf dich. Alles ist eine Frage der Interpretation.
    Tang Haomings Romanbiografie Zeng Guofan
    Die Lektüre des Romans Zeng Guofan 42 fiel mit meinem ersten Kontakt mit dem Fernsehen zusammen, das war 1993. Das eine hat mich auf meinem Lebensweg, das andere in meinem Charakter sehr stark geprägt, obwohl es reiner Zufall war, dass beides zusammenfiel.
    Bei den Dreharbeiten zu der Sendung »Kinder des Ostens« hatte ich viele Geschäftsreisen, von Hunan nach Hubei oder Jiangsu war ich überall unterwegs, und es war eine große Herausforderung für mich, als 25-jähriger Neuling Sinn und Zweck des neuen Programms zu definieren.
    Die dreibändige Biografie Zeng Guofan war mein ständiger Begleiter auf diesen Kämpfen an allen Fronten. Glaubt man unseren Geschichtsbüchern, war Zeng Guofan bestimmt kein »Kind des Ostens«, ganz im Gegenteil, an seinen Händen klebte das Blut des Volks.
    Unter Tang Haomings Feder ist Zeng Guofan ein Mensch aus Fleisch und Blut, leidet, kämpft, erwirbt Ruhm und Bildung. In intensiver Recherchearbeit an der Yuelu-Akademie hatte Tang Haoming in vielen Jahren die Briefe Zeng Guofans ausgewertet. Je mehr Details man über eine Person erfährt, desto menschlicher wird sie; und je deutlicher die Komplexität einer historischen Figur zutage tritt, umso mehr kommt sie dem wahren Menschen nahe. Ich nehme an, dass Tang Haoming diese Biografie

Weitere Kostenlose Bücher