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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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übersetzt.
    40 Gemeint sind offensichtlich die landesweiten Demonstrationen im Frühjahr 1989, die im Massaker an den Studenten auf dem Tian’anmen-Platz am 4. Juni endeten. Der Autor vermeidet hier und in den anderen Kapiteln, diese Ereignisse direkt beim Namen zu nennen.

Kapitel 14 – Wachstumsnahrung: Musik, Literatur und Film
    Das Leben ist wie ein Fluss – am Anfang nur ein dünnes, klares Rinnsal, strömt es schließlich dahin, beschleunigt das Tempo und nimmt auf seinem Weg Menschen und Gegenstände, Bücher, Lieder oder Filme in seinem Flussbett auf, die ihm Kraft und Richtung geben. Kein Mensch bildet da eine Ausnahme.
    Dieser Weg ist lang, und solange er noch nicht zu Ende ist, bleibt er aufnahmebereit für neue Impulse: »Leben heißt lebenslanges Lernen.« Wer in der mittleren Lebensphase angekommen ist, hat die gefährlichen Stromschnellen umschifft und fließt stabil dem entgegen, was sich vor ihm entfaltet. Und das ist ein Moment von großer Sentimentalität und Dankbarkeit.
    Wer zu schnell geht, dem bleibt oft keine Zeit, um »Danke« zu sagen, manchmal aus Vergesslichkeit, manchmal aus Zeitnot. Aber es ist nie zu spät, die Gelegenheit beim Schopf zu packen, noch einmal die Personen durchzugehen, die mich auf meinem Weg vorangebracht oder stark beeinflusst haben. Darunter sind Menschen, die ich kenne, mit denen ich groß geworden bin, und auch welche, mit denen ich noch nie einen Blick gewechselt habe. Auch all den Büchern habe ich zu danken, der Musik und den Filmen, Wohlklang und Schönheit, die man nie vergisst. Sie sind Wegmarken, sind Nahrung, sie sind im Grunde der Sinn des Lebens. Sie haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin, und werden auch das beeinflussen, was aus mir in Zukunft noch wird.
    Dennoch werde ich mich im folgenden Kapitel nur einer kleinen Auswahl dieser zahlreichen Menschen und Dinge widmen können. Sie sind repräsentativ, sind das, dem ich hier stellvertretend meine Reverenz erweisen will. Also beginne ich mit der Musik und der Literatur.
    Die Anthologie der Menglong-Dichtung 41
    Befragt, in welchem Buch ich in meinem Leben am häufigsten gelesen habe, wäre die Antwort: »Außer im Xinhua-Wörterbuch der chinesischen Schriftzeichen im Band Anthologie der Menglong-Dichtung .« Beim Aufschlagen dieses vergilbten Buchs finde ich das Datum, an dem wir unsere Schicksalsgemeinschaft gebildet haben: Am 8. Mai 1986, im zweiten Semester meines ersten Studienjahres, habe ich das Buch im Xinhua-Buchladen auf der Wangfujing gekauft.
    Für uns war dieses Buch damals wie eine Bibel, es war ein wichtiger Begleiter bei meiner Wandlung von einem Kind der Provinz zu einem Jugendlichen in Peking. Am meisten haben mich die Gedichte Bei Daos, der Frontfigur der Menglong-Lyrik, beeinflusst. Die ersten beiden Zeilen von Bei Daos erstem Gedicht in diesem Band haben damals für mich Achtzehnjährigen meinen Blick auf die Welt verändert.
    »Infam heißt das Passwort der Infamen, Würde heißt die Grabschrift der Würdevollen …« Es träfe eher zu, diese beiden Zeilen nicht als Gedicht, sondern als des Autors Resümee der Vergangenheit und Offenbarung der Zukunft zu verstehen. Und für mich waren sie damals wie ein aus Worten geschmiedeter Hammer, der erbarmungslos auf die Psyche eindrosch, damit sie endlich erwachsen würde. Bei Dao gab seinem Gedicht den Titel »Die Antwort«; für mich war es aber eine Infragestellung, eine Infragestellung des Menschen und der Gesellschaft.
    Natürlich gab es in der Anthologie außer den Gedichten Bei Daos noch die Gu Chengs, Shu Tings oder Jiang Hes … jedes trug auf seine Weise zur Veränderung meines Denkens bei.
    Shu Ting: »Tausend Jahre, auf einer Klippe ausgestellt, sind nichts gegen eine traurige Nacht an der Schulter des Geliebten …«
    Gu Cheng: »Die Nacht hat mir dunkle Augen gegeben; ich gehe mit ihnen das Licht suchen …«
    Liang Xiaobin: »China, ich habe meinen Schlüssel verloren …«
    Man kann es nicht anders sagen – diese Gedichte trafen uns ins Mark und bescherten uns einen völlig neuen Blick und ein gesellschaftliches Umdenken. Sie waren authentisch und präzise und ließen sich konsequent nicht in ein klassisches Versmaß pressen. Sie pflanzten in uns den Samen unserer Zweifel und unseres Argwohns.
    Diese Gedichte wurden zwar »obskure Lyrik« genannt, was sie aber im Rückblick so unvergesslich macht, war bestimmt nicht ihre vermeintliche Undurchsichtigkeit. Für mich war ihre Botschaft prägnant und klar.
    Später

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