Sind wir nun gluecklich
ausmachen. Nach und nach lässt sich der Angestellte von der Simplizität des geistig Behinderten anstecken, er wird gelassener, und seine Depressionen und Ängste verschwinden. Gerade als er sich wie neugeboren fühlt, stirbt der junge Mann.
Der Film hat seinen Namen »Der achte Tag« von der Idee, dass Gott, nachdem er in sieben Tagen die Welt erschaffen hatte, am achten Tag als Geschenk an die Welt diesen geistig Behinderten schuf.
Was werden Sie nach dieser kurzen Zusammenfassung des Filminhalts wohl denken?
Jeder von uns könnte gut und gern in der Haut dieses sich quälenden Angestellten mittleren Alters stecken, der mit aller Macht an seiner Misere festhält und seine eigene Lebenskrise heraufbeschwört; doch ist es leichter gesagt als getan in diesem Zeitalter, das von so vielen Versuchungen geprägt ist, durch die Begegnung mit der Lebensfreude zu Schlichtheit und Unverfälschtheit zurückzufinden.
Wie man es auch betrachtet, für mich scheint »Der achte Tag« eine sehr französische Frage zu stellen: »Was ist Glück?«
Der Film gibt darauf keine direkte Antwort, sie findet sich indirekt in seinen poetischen Bildern und der Langsamkeit seines Erzählrhythmus. Und sie findet sich vielleicht auch in den Tränen unserer Rührung. Meist hält dieses Gefühl des Aufgerütteltseins nicht allzu lange an. Mit dem Anbruch eines neuen Tages sind auch die alten Anfechtungen des Lebens wieder da, und man steckt im selben Schlamassel wie zuvor. Wen wundert’s, eine Woche hat schließlich nur sieben Tage und keine acht. – Dann ist es Zeit, sich noch einmal den »Achten Tag« anzusehen.
Bachs »Wohltemperiertes Klavier«, gespielt von András Schiff
Ich weiß noch, damals, als wir über den Drei-Schluchten-Staudamm des Jangtse berichteten, teilte ich mir mit Fang Hongjin eine Kajüte auf einem am Ufer des Jangtse vertauten Boot. Ich werde nie vergessen, wie wir ins Zimmer kamen und Fang Hongjin aus seinem Koffer zuerst eine Flasche Schnaps zog, die er auf die Fensterbank stellte, dann sein Notebook und dann eine CD mit Chopins »Nocturnes«, interpretiert von Arthur Rubinstein, die er auf dem Notebook abzuspielen begann. Diese wunderbare Verbindung, die der Schnaps und die Klaviermusik auf dem Jangtse eingingen, ist mir unvergesslich.
Ich erinnere mich auch deshalb so gut daran, weil auch ich damals ein großer Bewunderer der »Nocturnes« in der Version von Rubinstein war, diese exquisite Romantik, diese Poesie, die die Gedanken zum Fließen bringt. Für mich war das immer der Gipfel der Entspanntheit.
Mit dieser Wahrnehmung lag ich nicht falsch, aber die Steigerung davon fand ich, als ich auf András Schiffs Interpretation von Bachs »Wohltemperiertem Klavier« stieß.
Eigentlich handelt es sich um Übungsstücke für Klavier spielende Kinder, scheinbar ganz einfach. Anfangs entdeckte ich darin auch nicht die Schönheit der »Nocturnes«, und so lag ich viele Jahre falsch, bis mein Leben mit zunehmendem Alter nicht mehr ohne diese Stücke denkbar war.
Die Schlichtheit der Komposition ist irreführend, nach nur ein paar Tagen Übung auf dem Klavier kann man sie beinahe mühelos nachspielen. Doch erst im Lauf der Jahre verstand ich, dass das Einfache das Schwierigste ist. Man sagt ja auch: Mozart wird am besten von Kindern oder von Greisen gespielt, alle anderen bekommen das nicht hin. Denn die Schlichtheit verlangt nach einem schlichten Gemüt. Wer nicht die Reinheit eines Engels besitzt, wird von der engelsgleichen Schönheit der Musik schnell selbst ausgetrickst. Wenn man jünger ist, schmecken einem süße Limonaden und Colagetränke, doch wenn man älter wird, weiß man eher den Geschmack von Wasser und feinem Tee zu schätzen, bitter mit einem Tropfen Süße; erst dann stellt sich mit dem Geschmack auch die Freude des Genusses ein.
Bach spielen ist genauso, und um Bach zu hören, braucht es ebenjene Vorbedingung. Ich liebe diese Musik und bin wohl dennoch nicht ihr dankbarster Zuhörer. In den Grenzen ihrer schlichten und wahren Schönheit höre ich meine ungeordnete und verworrene Psyche. Doch je länger die Musik andauert und je mehr Zeit vergeht, desto mehr fühlt man sich wie bei der langsamen Besteigung eines Berges und nähert sich mit jedem Schritt dem Gefühl erfrischender Kühle. Es ist wie eine Reinigung des Geistes.
Heißt das, die Menschen von früher waren glücklicher, als wir es sind? Liegt das Glück im einfachen Leben oder in der alle materiellen Wünsche erfüllenden
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