Sind wir nun gluecklich
nicht unbedingt etwas mit Religion zu tun. Es ist eine Ethik, ein »Glaube ohne Religion«, deren Besonderheiten allein wir Chinesen kennen, aber es ist gut möglich, dass unsere Generation das gar nicht mehr begreift.
Aus den Ruinen der Zerstörung, die uns das 20. Jahrhundert von der Bewegung des Vierten Mai (1919) bis zur »Kulturrevolution« der sechziger Jahre hinterlassen hat, ist eine Horde von Kindern ohne jeden Glauben hervorgegangen. In unserer Zeit, wo sich die Tür zu Reformen geöffnet hat, ist mit dieser Öffnung die Gier auf den Plan getreten. Sie hat unser Leben verändert und trampelt obendrein ungehemmt auf der Leere unserer »glaubenlosen« Seelen herum.
Deshalb sind wir alle die Urheber dieser befremdlichen Geschichten, von denen jeder schon eine gehört hat, sie widerfahren uns tagtäglich selbst, wir sind ihre Ursache und ihre traurigen Opfer zugleich.
Wie kann unter diesen Umständen das Glück zu uns finden?
Macht und Geld werden zunehmend zu unserem Glaubensbekenntnis. Sie stehen ganz eindeutig in enger Verbindung mit der Befriedigung unserer Bedürfnisse.
Ich habe einmal ein Mitglied der Auswahlkommission für Nationalsportler erlebt, wie es beim Betrachten eines Athleten, der auf der Bühne mit aller Kraft sein Können zeigte, mit einem lauten Seufzer ausrief: »Wie kommt es bloß, dass ich in seinen Augen statt Aufrichtigkeit und Ernst nur einen BMW und eine große Villa sehe?«
Diese Erkenntnis hat wenig mit jenem einen Athleten zu tun, sie ist ein verbreitetes Problem unserer Zeit. Wie viele andere haben in einer x-beliebigen Gruppe von Menschen nicht den gleichen Ausdruck in den Augen? Wer wagt noch, sich nachts in aller Stille im Spiegel in die eigenen Augen zu sehen?
Macht ist und bleibt ein Problem. Selbst wenn der Persönlichkeitskult abnimmt, scheint der Kult um die Macht dagegen nur noch mehr zuzunehmen.
Ich weiß nicht, seit wann es so ist, dass zwischen den Kategorien und Ebenen der Macht so viel Kalkül und so wenig Intelligenz im Umgang miteinander im Spiel sind. Seit wann sind die Untergebenen ihren Vorgesetzten gegenüber so übertrieben gehorsam und haben überhaupt keine eigene Meinung mehr? Die Macht der Macher ist immer größer geworden, und entsprechend haben auch die Diskurse über die Machthabenden zugenommen, während die Möglichkeiten zum Diskurs um wichtige Angelegenheiten mit den Machthabern schwinden.
Ist es wirklich so, dass die Untergebenen die Macht verherrlichen? Ein genauerer Blick hinter die Kulissen verrät, dass das nicht unbedingt der Fall ist. Die Untergebenen sind doch längst viel zu intelligent und viel zu gut ausgebildet dazu. Wenn eine zur Schau getragene Unterwürfigkeit zum eigenen Vorteil gereicht oder zumindest größere Nachteile verhindert, wer würde sich dieser Strategie dann nicht bedienen?
Bleibt die Frage, wer oder was den Untergebenen zu diesem Verhalten rät.
Die Jugend einer jeden Generation hat es nicht leicht. Unsere gegenwärtige Jugend hat aber hat ganz offensichtlich mit besonders großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Unser Zeitalter fordert von jungen Leuten unbedingten Erfolg, und Erfolg bedeutet ein Haus, ein Auto und überdurchschnittliche Leistungen im Beruf. Aber von dieser Art von Erfolg lässt sich leicht reden, verwirklichen lässt er sich nicht immer. Es ist, als hätten wir drei neue »hohe Berge« 1 errichtet, deren Überwindung solchen Druck auf unsere Jugend ausübt, dass sie kaum mehr zum Luftholen kommt und selbst die Liebe zu einem Problem werden lässt.
Die Jugend sollte Raum für die Romantik haben und nicht allein von Erfolgsstreben und Opportunismus geprägt sein, aber die jungen Leute können sich nicht davon freimachen, oder sie wagen es nicht. Die Wohnungspreise steigen immer weiter, und daraus ergeben sich bisweilen trügerische Schlussfolgerungen wie: »Der Ministerpräsident macht falsche Versprechungen, also kann man sich nur auf das verlassen, was der Präsident sagt.« Doch dann stellt sich später heraus, dass der Präsident maßlos übertrieben hat, und der Ministerpräsident beeilt sich, Schritte zu unternehmen, um das Steigen der Kaufpreise eiligst wieder einzudämmen – wie kürzlich geschehen. Die Wohnungspreise sind schon keine wirtschaftliche Frage mehr, sondern eine gesellschaftliche und politische. Selbst wenn die Preise für Wohnungen kurzfristig fallen, kann man auf lange Sicht kaum optimistisch davon ausgehen, dass sie real sinken werden. Ganz abgesehen von der Frage, ob
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