Sind wir nun gluecklich
oder?
George W. Bush sagte: » Es gibt Zeiten, in denen wir mit China über Politik sprechen. Jetzt ist die Zeit der Olympischen Spiele.«
Nicolas Sarkozy konzedierte: »Ich kann nicht ein Viertel der Menschheit boykottieren.«
Genau. Lasst die Politik Politik sein. Und können nicht auch wir gegenüber Andersdenkenden und -handelnden großzügiger sein? So wie wir erwarten, dass die Welt China akzeptiert, wie es ist, können auch wir andere Stimmen und Haltungen akzeptieren. Das nennt sich »miteinander auskommen«. Das, was man »Harmonie« nennt, ist das Ergebnis eines Kompromisses. Wenn jeder einen Schritt auf den anderen zugeht, ist das Harmonie. Das berührt natürlich nicht die Souveränität über eigene Kerninteressen. Schließlich hat eine Welt, in der immer nur einer der Sieger ist, keinen Bestand. Wenn wir andere dazu auffordern, die Olympiade nicht zu einem Politikum zu machen, dann instrumentalisieren wir die Spiele besser auch selbst nicht, um sie politisch zu dechiffrieren.
Details rücken allmählich in den Mittelpunkt
Als Peking das Austragungsrecht bekam, machten sich die Chinesen das Jahr 2008 zur Ziellinie eines 100-Meter-Laufs, auf die man mit vollem Tempo zulaufen muss, um sie formvollendet zu durchbrechen. Dieser Tag ist gekommen. Aber wenn man die Ziellinie überschritten hat, stellt man fest, dass sie nicht das Ende bedeutet, sondern vielmehr einen Anfang, den Anfang einer neuen Laufstrecke. Die Erleichterung bleibt aus, denn der Weg vor uns wartet schon.
51 Goldmedaillen bereiten uns große Freude, aber sie machen uns nicht gesünder und werden nicht unbedingt mehr Begeisterung für sportliche Betätigung mit sich bringen. Tatsache ist, dass wir zwar immer mehr Goldmedaillen gewinnen, die Bevölkerung aber, allen voran die jungen Menschen, sich nicht etwa mehr Zeit für den Sport nehmen, sondern, wie man aus den Zahlen schließen kann, eher sogar weniger. Die Kinder verbringen die meiste Zeit mit Prüfungsvorbereitungen und nicht auf der Tartanbahn. Das ist kein Witz. Wo wir nun die Sucht danach, die Nummer eins im Medaillenspiegel zu werden, befriedigt haben, ist es Zeit, uns einmal auf die persönliche Fitness zu konzentrieren und die Begeisterung für sportliche Betätigung bei anderen zu schüren. Die Professionalisierung der Ligen einerseits und ein gut organisiertes Trainingssystem für Nachwuchstalente andererseits sind genauso wichtig wie Sportprogramme für die einfache Bevölkerung. All das zusammengenommen ist die Grundlage für Chinas sportliche Zukunft.
Sieben Jahre lang waren die Olympischen Spiele das große gemeinsame Ziel, das die Chinesen einte. Jetzt, wo der Vorhang gefallen und der kurze Moment von Verlustgefühl und Ratlosigkeit vorüber ist, wird es Zeit, sich selbst anzufeuern und nach und nach die eigenen kleinen Aufgaben anzupacken, die vor einem liegen. Jetzt steht erst einmal keine große gemeinsame Sache mehr bevor, das heißt aber nicht, dass uns keine großen Aufgaben erwarten. Es heißt einfach, dass wir uns nun in aller Ruhe um all die anderen Dinge kümmern können. Jetzt, wo China die breite Ziellinie überschritten hat, können wir uns um den eigenen Seelenfrieden bemühen und versuchen, jeder für sich genommen unsere Sache gut zu machen. Bei den kleinen Dingen fängt es an, bei den Details. Die Olympischen Spiele waren die Reifeprüfung in Chinas Reformprozess. Sie fielen genau in das dreißigste Jahr des Reformprozesses: Zeit, erwachsen zu werden!
Die Olympiade ist kein Narkosemittel und kein Halluzinogen, sie erlöst die Welt nicht von Problemen und Verdruss und bewältigt auch nicht die Probleme für uns, die Chinas Fortschrittsprozess mit sich bringt. Wie soll Chinas Wirtschaft die Balance zwischen Inflation und Wachstumstempo finden? Wenn die Stimmen vielfältiger werden, braucht es Vernunft, um das vielstimmige Konzert zu durchschauen. Auf dieser Welt lacht uns nicht von überall ein gutmütiges Gesicht entgegen, und wir müssen uns überlegen, wie wir damit umgehen.
Antworten haben wir darauf noch keine. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass im olympischen Feuer ein Traum verborgen liegt, der Grenzen genauso überwindet wie den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage. Obwohl die Menschheit diesen Traum niemals verwirklicht hat, kommen wir ihm Schritt für Schritt näher. Jetzt, wo das olympische Feuer verloschen ist, brennt es in unseren Herzen weiter als Mahnung und leuchtet uns den Weg in die Zukunft.
Hoffnung auf Wandel und
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