Sind wir nun gluecklich
Ereignis, ein Fest für ganz China. Eine Fußball-WM böte daher eine echte Gelegenheit zur Schaffung von Gleichberechtigung für alle in diesem Land, wie wir sie immer suchen.
Das wird frühestens in einigen Jahrzehnten der Fall sein, aber besser spät als nie: Hao fan bu pa wan. (»Auf ein gutes Essen wartet man gern auch ein bisschen länger.«)
Oktober 2001: China qualifiziert sich überraschend für die WM
Die erste Fußball-Weltmeisterschaft in Asien, 2002 von Japan und Korea gemeinsam ausgerichtet, bot für die chinesische Nationalmannschaft die einzigartige Gelegenheit, sich endlich den langgehegten Traum von der WM-Teilnahme zu erfüllen. Also legte sich der chinesische Fußball ins Zeug, änderte den Spielplan der Nationalliga und trainierte wie verrückt. Aber das Entscheidende war: Yan Shifeng verpflichtete Bora Milutinovi ´ c (»Milu«) 14 als neuen Nationaltrainer.
Viele waren nicht gerade begeistert von ihm. Ich habe mir die Artikel über Milu alle irgendwo aufgehoben. Meine Auffassung war: Milu ist kein orthodoxer Mediziner, er gleicht eher einem Barfußarzt, einem, der auf besondere Fälle spezialisiert ist. Mit einfacher traditioneller Medizin ist man schon manchem hoffnungslosen Fall beigekommen.
Selbst wenn das chinesische Team im Training zu 100 Prozent in Form ist, brechen in einem Wettkampf doch immer wieder die alten Krankheiten aus, und die Männer spielen nur auf 60 Prozent ihres Niveaus. Innerhalb von drei schwarzen Minuten steht dann der Sieg des Gegners fest. Aber Milutinovi ´ c setzte genau bei diesen chronischen Krankheiten an, verschrieb Hausmedizin für mehr Freude am Fußball und ergänzte sie um die Erfahrung des Barfußarztes in den richtigen Methoden, um eine Mannschaft für eine erfolgreiche Qualifikation auf Vordermann zu bringen. Noch wichtiger war, dass er ein glückliches Los bei der Gruppenauslosung zog und wir nicht in einer Gruppe mit Japan und Südkorea waren, also waren die besten Voraussetzungen geschaffen.
Am 7. Oktober 2001 wurde das Wulihe-Stadion in Shenyang zum Ort des Glücks und der später von der Presse als »großer Pionier« bezeichnete Yu Genwei zum Glücksbringer des chinesischen Fußballs. Die chinesische Nationalmannschaft hielt, vom eigenen Erfolg überrascht, in die Endrunde der Fußball-Weltmeisterschaft Einzug, noch während der Amtszeit von Yan Shifeng. Diese Qualifikation wurde zur dritten einer Reihe von erfolgreichen Bewerbungen Chinas in diesem Jahr: Die Austragungsrechte der Olympischen Spiele für Peking, Chinas Eintritt in die WTO und nun noch Chinas Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft.
Da ich bei der Entscheidung für Peking als Austragungsort der Olympischen Spiele in Moskau war und nicht bei den Freudenfeiern auf Pekings Straßen dabei sein konnte, wollte ich es mir diesmal nicht entgehen lassen. Kaum hatte Yu Genwei den Ball ins Tor befördert, schnappte ich meinen vierjährigen Sohn, und wir fuhren Richtung Chang’an.
In dieser Nacht waren die Verkehrsregeln außer Kraft gesetzt. Von zu Hause bis zum »Prinzessinnengrab«, einer Strecke von etwa 10 Kilometern, brauchten wir nur zwanzig Minuten, für die wenigen Kilometer von dort bis Lishi Lu und weiter zur Chang’an mehr als eine Stunde. Das war kein Verkehrsstau, sondern ein vollkommener Verkehrsinfarkt. Die von überall herströmenden Menschenmassen waren gut bewehrt mit Tröten und Trillerpfeifen, die Straßen waren voll von fröhlichen Gesichtern. Ein Fußballfan kam vorbei und sprach mich an: »Hei, Bai Yansong, lass uns ein Foto machen!« Ich hatte keinen Grund zu widersprechen. Der chinesische Fußball hatte heute den großen Wurf gelandet, da konnte man einfach niemanden mit einem »Nein« brüskieren.
Dieser verrückte Freudentaumel war ansteckend, und er war auch verständlich. Schließlich hatte der chinesische Fußball noch nie einen Anlass zum Jubel geboten. Warum also die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen? Wer wusste schon, ob und wann sie sich wieder bieten würde? Wenn man schon einmal Grund hat, stolz zu sein, dann muss man den Moment auskosten und darf die Qualifikation zur Fußball-WM nicht ohne ein ordentliches Spektakel verstreichen lassen!
Der wilde Freudentaumel machte allmählich verhaltenem Optimismus Platz. Als wenige Monate später nach den Auslosungen feststand, dass China in einer Gruppe mit Brasilien, der Türkei und Costa Rica spielen sollte, gab man sich optimistisch und sah sich schon für die K.-o.-Runde qualifiziert. Ich
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