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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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sich um unsere eigenen Bedürfnisse. Deshalb waren die Spiele eine Gelegenheit, uns einmal von außen kritisch unter die Lupe nehmen zu lassen. Hinterher konnten wir konstatieren, dass das völlig unbedenklich war. Das Tor stand offen, und das war gut so. Und jetzt können wir die Ergebnisse wie ein Vergrößerungsglas benutzen, um darin unsere eigene Zukunft zu entdecken. Ein transparentes China wird ein viel selbstbewussteres und bezaubernderes China sein.
    Die Medienberichterstattung: Menschen statt Medaillen
    Am Morgen der Abschlussfeier der Olympischen Spiele kamen einige derstellvertretenden Leiter des Chinesischen Olympischen Komitees in die Studios von CCTV, um sich zu bedanken. Vielleicht haben während der Sendung viele den unvergesslichen Satz des Chefs des Sportkanals von CCTV, Jiang Heping, gehört: »Wir sind wirklich keine Vertreter des ›Goldmedaillenkults‹.« Das Bild rückte sofort das Gesicht von Cui Dalin in den Mittelpunkt, der zustimmend nickte und erklärte, dass auch das Nationale Olympische Komitee es so sieht. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er gleich das Beispiel von Chen Zhong bringen würde:
    »Pflegten wir einen Goldmedaillenkult, dann hätten wir das Urteil des Schiedsrichters nicht akzeptiert. Denn allein die Tatsache, dass es uns nicht passte, ändert überhaupt nichts an dem Ergebnis!«
    Ich war ausgesprochen dankbar für diese Konversation. Endlich war der Abschied vom Goldmedaillenkult vollzogen. Obwohl das vielleicht nur der Tatsache geschuldet war, dass man ohnehin schon fünfzig gewonnen hatte. Angenommen, man hätte öfter verloren, dann wäre die Sehnsucht nach olympischem Gold wohl nicht versiegt. Aber diese Sehnsucht sollte dem Komitee überlassen bleiben. Für uns Medienleute stand schon früh fest, dass es bei Olympia nicht allein um das Siegen geht, es geht um den ganzen Prozess, auch um das Verlieren und vor allem um die Sportler in der Arena.
    Schon vor Beginn des Wettbewerbs, als ich wusste, dass Ning Xin und ich verantwortlich für die Moderation des ersten Wettkampfs der Sportschützin Du Li sein würden, hatte ich Wang Yifu 13 die Nachricht geschickt: »Keine Sorge, ich mache hier überhaupt keinen Druck, ganz gleich, wie das Ergebnis ausfällt, wir akzeptieren es mit Gelassenheit und kümmern uns darum, den Wettkampf zu erläutern und die Teammitglieder vorzustellen.« Am Tag bevor es losging, besuchten wir die Sportschützen und joggten eine Runde mit Wang Yifu. Er sollte verstehen, dass wir nichts vom Goldmedaillenkult halten, dass die Medien keinen Druck ausüben sollten und das auch nicht werden.
    Diese Überzeugung kam nicht zuletzt von unserer Erfahrung in Sydney acht Jahre zuvor, als sich Wang Yifu vor dem chinesischen Publikum dafür rechtfertigen musste, dass er »nur« Zweitplatzierter geworden war, während die australische Presse trotz berechtigter Hoffnung auf Gold einer Triathletin auch bei Silber mit ihr um die Wette strahlte.
    Es ist Unsinn, wenn die Presse jemandem, der auf Gold verzichten muss, auch noch in die Waden beißt und den Erfolg von Silber und Bronze gar nicht der Rede wert findet, ganz zu schweigen von den Leistungen der Athleten, die am Ende nicht auf das Siegertreppchen steigen.
    Als wir mit der Ausstrahlung von »Olympia-Panorama« begannen, schrieb ich bewusst noch einmal unser Konzept auf unsere interne Memo-Tafel: Menschen, Details, Hintergrund, Geschichten, Emotionen, Dramatisierung. Außerdem stellte ich mit Hilfe eines Globus eine Olympia-Geografie auf. Jedes Land, das eigentlich keine starke Sportnation ist, aber bei den Olympiaden immer mal wieder einen überraschenden Durchbruch schafft, markierte ich mit den olympischen Ringen. In den kommenden fünfzehn Tagen sprachen wir über zwanzig solcher Länder und Regionen wie Afghanistan, Sudan, Irak, die Mongolei oder Botswana, Länder, aus denen selten ein Goldmedaillengewinner kommt, aus denen aber die eine oder andere Geschichte kam, die staunenswerter war als eine Medaille. Wir verwiesen auf kleine Schritte, die aber einen großen Schritt für das ganze Land bedeuteten. Das Publikum reagierte sofort begeistert, und dieser Teil wurde ein Highlight von »Olympia-Panorama«.
    Das betraf auch unsere täglichen »Aufmacher«, die in diesen fünfzehn Tagen sehr oft mit einem Goldmedaillengewinn zu tun hatten, aber die Hauptdarsteller unserer Geschichten waren die Sportler wie die Volleyball-Spielerinnen und Turnerinnen. Das war nicht bloß Attitüde, sondern das wichtigste

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