Sine Culpa
keine zehn Minuten vom Hare and Hound entfernt, und er hatte die wunderbare Käseplatte dort noch in bester Erinnerung.
Der Pub war fast leer, nur ein paar Wanderer saßen draußen und tranken ihre Apfelschorle. Jacob Isaacs stand hinter der Theke und trank unauffällig einen Schluck von etwas, das verdächtig nach Whisky aussah. Seine Frau war nirgends zu sehen.
»Sergeant Cooper! Schön, Sie zu sehen. Meine Frau ist für ein paar Tage zu ihrer Mutter, und ich sitze hier allein mit der maulenden Maureen.« Er deutete mutlos auf die Glastür, die in die Küche führte und hinter der Cooper eine massige Silhouette erspähte. »Da braucht man schon mal ein Glas zum Trost. Was möchten Sie – geht aufs Haus?«
Cooper war mit dem festen Vorsatz gekommen, bei Orangensaft zu bleiben, aber der Biergeruch machte ihn schwach, und er bestellte sich ein schönes Ale zu seiner Käseplatte. Beides kam prompt, und während er kräftig zulangte, hellte sich seine Stimmung allmählich auf.
Isaacs wurde immer mal wieder von Gästen abgelenkt, doch Cooper bemerkte, dass er in vermeintlich unbeobachteten Momenten zu ihm rüberschielte. Vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen wegen des Whiskys, vielleicht aber auch nicht. Cooper beschloss, sich ruhig ein bisschen mehr Zeit für seinen Lunch zu lassen.
»Stückchen Apfelkuchen, Mr. Cooper?«
Maureens Angebot riss ihn aus seinen Gedanken, und er sagte ohne Überlegung ja. Manche Reaktionen sind eben doch rein instinktiv. Der Kuchen wurde warm mit Vanillesoße serviert, und für einen kurzen Moment war Cooper im Himmel.
Alles Schöne hat jedoch ein Ende, und um Viertel vor zwei befand er, dass es Zeit zum Aufbruch war. Als er sein Portemonnaie zückte, winkte ein leicht angesäuselter Isaacs ab. Er hatte sich auf der Flucht vor Maureens missbilligenden Blicken ans hinterste Ende der Theke zurückgezogen und tat nicht mehr so, als würde er arbeiten. Cooper ging zu ihm, um sich für den vorzüglichen Lunch zu bedanken, doch als er näher kam, sah er, dass der Mann in tiefe Melancholie versunken war. Er hatte schon die natürliche Frage auf der Zunge, was denn los sei, doch seine Erfahrung riet ihm, den Mund zu halten.
»Mr. Cooper …«
»Bob«, sagte er, um möglichst inoffiziell zu wirken.
»Bob, hören Sie, was ich da neulich gesagt habe, als Sie hier waren.«
Isaacs trank noch einen Schluck Whisky und zog eine Grimasse. Maureen sah zu ihm rüber und schüttelte den Kopf. Cooper setzte sich auf einen Barhocker und blickte bewusst entspannt drein.
»Na ja, vielleicht sollte ich lieber nix sagen …«
»Kommen Sie, Jacob, irgendwas bedrückt Sie doch. Reden Sie es sich von der Leber.«
Isaacs seufzte tief und nickte. Er focht offenbar einen inneren Kampf aus. Cooper ließ ihm Zeit und geduldete sich schweigend, weil er vermutete, dass der Mann selbst zu einer Entscheidung kommen musste und nicht bedrängt werden sollte.
»Die Sache ist die«, sagte Isaacs schließlich, »es ist völlig ausgeschlossen, dass Jeremy sich für kleine Jungs interessiert.«
Cooper bemerkte die Betonung.
»Kleine Jungs «, wiederholte er.
»Ja. Der Major war – ist – hundertprozentig heterosexuell mit ganz normalen Trieben.«
»Ich stell mir das ziemlich hart vor, wenn man im Einsatz monatelang weit weg von den heimischen Freuden ist.«
Isaacs lief dunkelrot an und leerte sein Glas. Er stand von seinem Hocker auf und genehmigte sich noch eins. Cooper fluchte innerlich, weil er schon fürchtete, dass der Augenblick ungenutzt verstreichen würde, aber die Sorge war unbegründet. Der Pubbesitzer war schnell wieder bei ihm und wirkte jetzt entschlossen.
»Sie müssen verstehen, wie der aktive Dienst für einen Mann ist. Man lebt in dem Bewusstsein, vielleicht bald zu sterben, und das macht das Leben besonders kostbar.«
»Oh, das kann ich mir vorstellen«, sagte Cooper mit Nachdruck. »Und ich weiß selbst, wie sich die Erleichterung hinterher auf einen auswirkt.«
»Da regiert der Instinkt«, bestätigte Isaacs leise. »Und wenn man jung ist, zwanzig, dreißig Jahre alt, dann fließt da verdammt viel Testosteron in einem, und man muss irgendwie damit umgehen.«
»Ja klar, das ist ganz natürlich. Je stärker die Lebensbedrohung, desto stärker der Fortpflanzungsdrang. So sorgt die Natur dafür, dass die Spezies erhalten bleibt.«
»Genau! Besser hätt ich das nicht sagen können. Wir waren fast drei Jahre im Kampfeinsatz und hatten kaum Urlaub. Da haben wir die wenige Freizeit
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