Sine Culpa
hältst du davon, nach weiteren Missbrauchsopfern zu suchen?«
»Sind schon dabei. Robin spricht noch einmal mit den ehemaligen Schulkameraden der Jungen, hat aber noch nichts gefunden. Ich hätte da noch einen Vorschlag.«
»Lass hören.«
»Wir könnten eine Pressekonferenz geben und an die Missbrauchsopfer appellieren, sich zu melden.«
»Das ist ein großer Schritt.«
Er hatte selbst auch schon daran gedacht, sich aber dagegen entschieden, weil sich neben den möglicherweise echten Opfern unweigerlich auch Wichtigtuer, psychisch Kranke und Schwindler melden würden. Um jeden Einzelnen kompetent zu befragen, wäre ein enormer Personaleinsatz vonnöten, und längst nicht alle seiner Detectives waren für solche Gespräche ausgebildet. Es war sehr schwierig, das Vertrauen eines Missbrauchsopfers zu gewinnen und die Aussagen auszuwerten.
Fenwick sagte Nightingale, dass er darüber nachdenken würde. Ein weiterer Grund dafür, mit so einem öffentlichen Aufruf noch zu warten, war der, dass das vielleicht die einzige Möglichkeit war, Informationen über den »Freund« zu bekommen. Er notierte sich gerade in groben Zügen, wie der Appell lauten könnte, als gleichzeitig sein Schreibtischtelefon und sein Handy klingelten.
»Fenwick«, sagte er mit einem Telefon an beiden Ohren.
»Wir haben ihn!«
»Er ist tot!«
»Was? Moment. Alison, Clive ist auf der anderen Leitung. Wer ist tot, Clive?«
»Ball.«
Fenwick schloss entsetzt die Augen, zwang sich aber, ruhig zu bleiben.
»Alison, sagen Sie dem Team am Lagerhaus, sie können jetzt rein, und rufen Sie mich in zehn Minuten wieder an.« Er legte den Hörer auf.
»Schießen Sie los, Clive. Wie ist er gestorben?«
»Lässt sich anhand der Leiche noch nicht genau sagen. Neben ihm steht eine fast volle Flasche Whisky und ein Glas. Der Doc ist schon unterwegs, die Spurensicherung auch. Ich hab die direkt angerufen.«
»Alles abgesperrt?«
»Ja.«
»Ich komme rüber, sobald ich mit dem A.C.C. gesprochen habe. In der Zwischenzeit fragen Sie das Team, das ihn gestern überwacht hat, wo und wie sie ihn verloren haben. Ich will genaue Einzelheiten.«
Sein Telefonat mit dem A.C.C. war kurz. Er konnte seine Enttäuschung wegen Ball nicht verbergen, aber Harper-Brown reagierte überraschend wohlwollend.
Alison rief ihn auf seinem Handy an, als er gerade das Büro verließ. Gooding war an seinem Arbeitsplatz festgenommen worden und beteuerte jetzt in der Zelle seine Unschuld. Der Durchsuchungsbeschluss galt auch für seinen Schreibtisch und PC, aber so zuversichtlich, wie er gewirkt hatte, ging sie nicht davon aus, dass dort irgendwas zu finden war. Sie hatte ihm noch nicht gesagt, dass auch sein Lagerraum im Depot durchsucht wurde.
»Gut, dann ist die Wirkung später umso stärker. Sie müssen allein mit der Vernehmung anfangen. Wir haben ein Problem, um das ich mich persönlich kümmern muss.« Er erzählte ihr von Ball. »Testen Sie aus, ob Gooding weiß, dass Ball tot ist. Wenn Sie meinen, er weiß es nicht, erzählen Sie’s ihm nicht, sonst macht er vielleicht dicht.«
»Kein Problem.«
Clive blickte grimmig drein, als er Fenwick vor Balls Wohnungstür begrüßte.
»Sie werden stinksauer sein«, warnte er ihn vor, ehe er berichtete, wie Constable Welsh Ball am Sonntag kurz nach dem Mittagessen hatte entwischen lassen. Er war ihm im Auto gefolgt, alles war völlig normal, und dann hatte Ball ganz plötzlich gewendet und war verkehrt herum in eine Einbahnstraße gefahren.
»Hatte er Welsh entdeckt, was meinen Sie?«
»Er schwört nein, sagt, dass noch etliche Autos zwischen ihnen waren und die Überwachung bis dahin routinemäßig verlaufen war.«
»Hmm, unwahrscheinlich, aber mal angenommen, er hat Recht, warum sollte Ball sich plötzlich so verhalten?«
»Als Vorsichtsmaßnahme, nur für alle Fälle?«, schlug Clive vor.
»Genau, und das bedeutet, dass er sich mit jemand Wichtigem treffen wollte oder etwas Wichtiges vorhatte. Ich frage mich, ob das zu seinem Ableben geführt hat.«
»Der Doc ist jetzt drin. Vielleicht kann er uns schon was sagen.«
Fenwick hatte Pendleburys Auto in zweiter Reihe vor dem Haus parken sehen. Er war einer der besten Pathologen in Sussex, Fenwicks Meinung nach der Beste, und er trat hoffnungsvoll an die Polizeiabsperrung.
»Mein Glückstag!«, rief er darüber hinweg. »Wie haben die es geschafft, Sie aus Ihrem Labor zu locken?«
»Das klingt, als wäre ich Frankenstein.«
»In dem Fall würde ich von dem Gehirn da aber
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