Sine Culpa
Herrgottsfrühe wieder aufzustehen.
Als er ins Präsidium kam, stieg ihm der Duft von Schinkensandwichs in die Nase. Cooper war bei Nightingale, also hatte sie ihn vermutlich angerufen.
»Warmes Sandwich?« Nightingale warf ihm eine Tüte zu. »Da hinten sind Päckchen mit Senf.«
Sie biss herzhaft in ihr eigenes und hatte es im Handumdrehen verputzt. Als sie fertig war, klebte ihr noch ein bisschen Senf im Mundwinkel, und Bob Cooper beugte sich vor und wischte ihn ihr ab. Fenwick konzentrierte sich auf sein eigenes Frühstück und versuchte, nicht über den Grund für Nightingales Appetit und ihre strahlenden Augen nachzudenken.
»Sie sehen ein bisschen mitgenommen aus, Chef, wenn ich das sagen darf.«
»Hab nicht viel geschlafen. Hier ist der Bericht, lest ihn, und ich mach uns inzwischen einen anständigen Kaffee.«
Als er mit drei dampfenden Tassen zurückkam – Milch und zwei Stück Zucker für Cooper, die beiden anderen schwarz –, hatte sich die Stimmung im Raum verändert.
»Ball und Watkins haben Paul vor seinem Tod missbraucht«, sagte Cooper mit Empörung in der Stimme. »Plus zwei andere Scheißkerle.«
»Wahrscheinlich Nathan und Taylor«, sagte Fenwick und verteilte den Kaffee. »Aber nichts, um Maidment den Missbrauch anzulasten. Zumindest haben wir jetzt genug, um für Watkins einen Auslieferungsantrag zu stellen.«
»Die Bestätigung für das, was unser ›Freund‹ behauptet. Maidment hat Paul nicht getötet.« Fenwick hörte die Enttäuschung in Nightingales Stimme. »Er hat uns Namen geliefert, die Tätowierung und DNA, ein hübsches Geschenkpaket.«
»Nicht bloß irgendwelche DNA«, rief Fenwick ihr in Erinnerung, »Sperma auf Paul Hills Unterwäsche. Seine DNA ist auch drauf, siehst du – da.« Er zeigte auf den Absatz. Nachdem sie ihn gelesen hatte, sah sie aus, als wäre ihr schlecht.
»Das bedeutet, dass Paul von mehreren Männern vergewaltigt wurde, ehe er starb.«
»Sieht so aus, aber das Wichtigste ist heute, dass es keinerlei Spuren von Maidments DNA auf den Sachen gibt, die unser ›Freund‹ uns geschickt hat.«
»Der A.C.C. will ihn bestimmt auf Kaution freilassen, was? Vielleicht sogar die Anklage fallen lassen.« Nightingale klang frustriert.
»Das vermute ich, aber es liegt nicht allein bei ihm, auch bei der Staatsanwaltschaft. Ich kann bloß versuchen, ein wenig Einfluss zu nehmen.«
»In welche Richtung?«, frage Nightingale.
»Darüber müssen wir uns jetzt klar werden. Ich möchte eure Meinung hören. Glaubt einer von euch beiden, dass Maidment der Täter ist?«
»Ich nicht«, sagte Bob Cooper sofort. »Er ist einfach kein Pädophiler.«
»Meinen Sie, dass er jemanden deckt?«
»Hmm.« Cooper kratzte sich den Bauch, ein sicheres Zeichen dafür, dass er gründlich nachdachte. »Er fühlt sich der Ehre seines Regiments verpflichtet, und falls jemand gedroht hätte, seiner Frau von seinem kleinen Geheimnis zu erzählen … aber er ist streng gläubig, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er einen unschuldigen Jungen umgebracht hätte, unter keinen Umständen.«
»Gläubige Menschen sind auch nicht besser oder schlechter als andere, und Paul war nicht gerade unschuldig, oder? Vielleicht hat man Maidment erzählt, dass der Junge käuflich war oder auch ein Erpresser, der einen von Maidments Kumpeln in die Falle gelockt hatte.«
»Das ist ein zu hartes Urteil über Paul. Wir wissen nicht, wann Taylor angefangen hat, ihn zu missbrauchen, aber mit vierzehn Jahren war er bestimmt schon total konditioniert.«
»Das wusste Maidment nicht.« Nightingale wischte Coopers Einwand beiseite.
»Aber …«
»Es reicht.« Fenwick fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und unterdrückte ein Gähnen. Noch nie hatte er sich schlechter auf einen schwierigen Tag vorbereitet gefühlt. »Es geht hier darum, das vorliegende Beweismaterial zu durchleuchten und angemessen zu präsentieren, nicht über Paul oder den Major zu Gericht zu sitzen.
Konzentrieren wir uns noch mal auf die Hypothese, dass Maidment reingelegt wurde oder gar erpresst. Seine Fingerabdrücke und sein Blut waren auf dem Sack mit den Kleidungstücken, aber er hatte nichts mit der Entführung oder dem Mord zu tun. Wir wissen, dass er ein dunkles Geheimnis hat, das wahrscheinlich seine Ehe zerstört und seinen guten Ruf ruiniert hätte, wäre es je herausgekommen. Gibt es irgendetwas, das dieser Theorie widerspricht?«
»Nein«, sagte Nightingale kategorisch. »Sie erklärt, warum er nichts zu seiner
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