Sine Culpa
spöttisch, sagte aber nichts, knallte jedoch das Bestellte ein wenig zu fest auf die Theke, wie Maidment fand. Als er zum Zug ging, lief ihm das Wasser im Munde zusammen, und wie er beschämt feststellte, auch in den Augen. So ging das nicht. Er musste einen kühlen Kopf haben, wenn er sich bei der Polizei meldete, und nicht schniefen wie ein sentimentaler Idiot. Er nahm innerlich Haltung an.
Dennoch, je näher er Harlden kam, desto stärker wurde das Gefühl der Paranoia. Im Zug spürte er die Blicke der Menschen auf sich, aber zu seiner großen Erleichterung ließ man ihn in Ruhe. Er nahm sich eine Zeitung, die ein Fahrgast liegen gelassen hatte, fühlte sich aber nur noch schlechter, als er auf Seite fünf sein eigenes Foto neben einem Artikel sah, der erneut die Umstände seiner Festnahme durchkaute. Es war ein gutes Porträtbild, und er kam sich noch auffälliger vor.
Als der Zug in Harlden einfuhr, wuchs seine Angst. Hier würde man ihn ganz sicher erkennen. Er zog den Hut ein wenig tiefer als sonst, ließ sich jedoch nicht dazu hinreißen, gebückt zu gehen, sondern nahm im Gegenteil die Schultern zurück. Trotzdem wählte er eine Route zum Präsidium, die ihn über ruhigere Straßen und durch den Park führte.
Als ihn ein Stein zwischen den Schulterblättern traf, dachte er zuerst, irgendetwas wäre vom Baum gefallen, aber der Himmel über ihm war leer.
»Du perverse Sau!«, rief jemand hinter ihm.
Als er sich umdrehte, sah er drei Jungen in etwa zwanzig Metern Entfernung. Sie hatten damit gerechnet, dass er die Beine in die Hand nahm und weglief, doch stattdessen machte er einen Schritt auf sie zu und hob seinen Spazierstock. Einer von ihnen zuckte tatsächlich zusammen, ehe er sich umwandte und davonrannte. Maidment hatte seinen Stock nur geschwenkt, wie er das machte, um Mrs. Nichols Hund von seinem Rasen zu scheuchen, aber die Jungen hatten wirklich geglaubt, er würde ihnen etwas tun. Der verängstigte Ausdruck auf den jungen Gesichtern schmerzte ihn mehr, als er es für möglich gehalten hätte.
Der Major beschleunigte seinen Schritt. Als er den Park durch das Tor verlassen wollte, trat er zurück, um zwei Frauen mit Kinderwagen vorbeizulassen. Eine von ihnen spuckte vor ihm aus.
Auf dem Präsidium führte man ihn in einen Raum und stellte ihm einen Becher Tee aus dem Automaten hin, während irgendwer loszog, um Bescheid zu sagen, dass er da war. Während er wartete, schloss er die Augen und konzentrierte sich auf seine Atmung. Solange er flache Atemzüge machte, war der Schmerz auszuhalten. Seine Stimmung, die nach dieser Heimreise ohnehin schon schwer angeschlagen war, sackte auf den Tiefpunkt, als Nightingale hereinkam. Sie war in Begleitung eines ihm unbekannten jungen Mannes, den sie als Constable Robin vorstellte. Sie erledigte rasch die Formaliräten und sprach fürs Protokoll aufs Band, dass er auf die Anwesenheit eines Anwalts verzichtet habe. Dann sagte sie nichts mehr, und er fand ihr Schweigen schier unerträglich.
Er versuchte, ihr nicht in die Augen zu sehen, weil er wusste, dass er wahrscheinlich als Erster wegschauen und ihr so einen psychologischen Vorteil verschaffen würde. Trotzdem war ihr Blick irgendwie beunruhigend, und schließlich schaute er doch unwillkürlich auf. Sobald ihre Blicke sich trafen, schüttelte sie den Kopf. Der mitleidige Ausdruck auf ihrem Gesicht hatte eine außergewöhnliche Wirkung auf ihn. Er spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte und die Augen feucht wurden. Er sah hastig weg.
»Möchten Sie noch Tee? Der da ist ja schon kalt.«
»Danke.« Ihre Fürsorglichkeit verunsicherte ihn.
»Robin, könnten Sie für den Major eine Tasse Tee mit Milch und Zucker besorgen und für mich eine Tasse Kaffee, schwarz?«
Als die Tür zuging, waren sie allein, bis auf einen uniformierten Beamten, der wie eine Statue hinter ihm stand. In der anhaltenden Stille wuchs das Gefühl der Intimität, was ihn nur noch mehr verunsicherte. Er ärgerte sich, dass sie diese Wirkung auf ihn hatte, und schließlich ergriff er das Wort, obwohl er das eigentlich nicht wollte.
»Miss Nightingale, Sie sind doch bestimmt eine vielbeschäftigte Frau, und auch ich möchte möglichst bald nach Hause. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Das ist es ja gerade, Major, ich weiß es nicht.« Er starrte sie verblüfft an. »Ich weiß aber, dass Sie Paul Hill keinen leiblichen Schaden zugefügt haben.«
»Es freut mich, dass Sie endlich von meiner Unschuld überzeugt sind.«
»Das hab ich
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