Sine Culpa
Es ist jetzt leichter, mit ihm zu arbeiten, aber ich glaube, er hätte es lieber wieder so, wie es letztes Jahr war, alles, meine ich. Blite entwickelt sich zum Albtraum.«
»Damit war zu rechnen. Kaum gibt man dem Mann ein bisschen Raum, bläst sich sein Ego auf, um ihn auszufüllen. Lass dich nicht von ihm fertigmachen.«
Sie trat wieder an den Wannenrand. Ihre Haut unter dem weißen Handtuch war rosig und duftend.
»Das ist leicht gesagt. Blite nutzt jede Gelegenheit, um mir einen reinzuwürgen, und er führt sich auf wie der Oberboss, bloß weil er länger im Dienst ist.«
»Ignorier ihn und lass dir um Himmels willen nicht seinen Stil aufzwingen. Du bist besser als er, vergiss das nicht.« Er zog den Stöpsel aus der Wanne, stand auf und wickelte sich ein Handtuch um die Taille.
»Und wie läuft’s bei dir?« Sie ließ ihr Handtuch fallen und schlang die Arme um ihn. »Man munkelt, du sollst demnächst befördert werden.«
Er antwortete mit einem Achselzucken und drehte sich widerstrebend von ihr weg, um seine Kleidung aufzuheben.
»Was denn nun, stimmt es? Wenn einer es verdient hätte, dann du.«
»Kann schon sein. Ich werde von allen Seiten unterstützt, aber die Konkurrenz ist groß, und die Sache ist längst noch nicht spruchreif. In den nächsten Monaten erfahre ich, ob ich diesmal dabei bin oder noch warten muss. Mitentscheidend wird die Beurteilung von meinem Chef sein.«
»Falls du befördert wirst, heißt das auch, dass du woandershin versetzt wirst?« Ihr Gesichtsausdruck war gespielt gleichgültig.
»Ich weiß nicht. Ich hoffe nicht, aber ich werde dabei wohl keine große Mitsprache haben.«
Er beobachtete sie genau, aber sie ließ sich keine Gefühlsregung anmerken. Ihre konstante Selbstbeherrschung war erstaunlich. Sie weckte in ihm den Wunsch, ihr so unter die Haut zu gehen, wie sie ihm unter die Haut gekrochen war. Er wollte, dass sie ebenso nach ihm hungerte, wie er nach ihr. Ihre Affäre war riskant. Falls sie bekannt wurde, könnte das ihrer Karriere schaden und vielleicht auch seiner, aber sie schien das Risiko nicht zu stören, und mittlerweile war er so abhängig von ihr, dass er nicht mehr in der Lage gewesen wäre, auf Distanz zu gehen, selbst wenn er gewollt hätte.
»Hast du noch Zeit für einen Kaffee?« Ihre Frage klang beiläufig, als wäre ihr die Antwort egal. Er war gerade dabei, sich das Hemd zuzuknöpfen, blickte auf und lächelte sie an.
»Warum nicht?«
Andrew Fenwicks Haus lag am Stadtrand von Harlden in einer Wohngegend, die für einen Polizisten, der den Versuchungen nebenberuflicher Einnahmen widerstanden hatte, normalerweise unerschwinglich war. Ohne das Geld, das sein Onkel ihm hinterlassen hatte, hätte er es sich niemals leisten können.
Als er am Freitagabend von der Arbeit nach Hause kam, parkte Nightingales Wagen vor der Garage. Sie saß im Wohnzimmer auf dem Sofa, eng flankiert von Chris und Bess, und die drei schauten sich einen Zeichentrickfilm an. Bess’ Hand lag auf der von Nightingale, und Chris schmiegte das Gesicht an ihren Oberarm. Als die Tür zufiel, wandten sich alle drei Köpfe zu ihm um, und er lächelte.
»Ich geh mich nur schnell umziehen«, sagte er.
Auf dem Weg die Treppe hinauf rief er seiner Haushälterin Alice ein gutgelauntes Hallo zu, bekam aber keine Antwort. Nachdem er sich ein frisches Hemd und Jeans angezogen hatte, ging er zu ihr in die Küche. Sie war dabei, Kartoffeln zu schälen.
»Hi. Tut mir leid, ich hatte vergessen, Ihnen zu sagen, dass wir zum Abendessen Besuch haben.«
»Bleibt sie übers Wochenende?«
»Nein, das tut sie doch nie.« Fenwick wunderte sich über ihren aggressiven Ton. »Das riecht gut. Was ist das – Ihre selbstgemachte Quiche?«
Aber Alice wollte sich nicht erweichen lassen und nickte nur knapp. Ihre ablehnende Haltung gegenüber Nightingale war ihm ein Rätsel. Niemand machte ihr ihre Stellung streitig, und er verstand einfach nicht, warum sie auf Nightingales gelegentliche Besuche mit solcher Abneigung reagierte. Das erste Mal war Nightingale Ostern da gewesen, nachdem sie seine Einladung zum Mittagessen mit den Kindern zu seiner Verblüffung angenommen hatte. Es war ein spontaner Vorschlag gewesen, weil ihm klar geworden war, dass sie über die Feiertage allein sein würde, und er hatte ihn sogleich bereut.
Alice war zu Besuch bei ihrem Bruder gewesen, aber als sie zurückkam, machte sie keinen Hehl daraus, dass sie der wesentlich jüngeren Frau keine große Sympathie
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