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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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Messer ein Loch reinstechen und den Ballon zum Platzen bringen, so haftet seine Hülle aneinander.«
    »Fichtner starb also nicht direkt an der Schussverletzung?«
    Albin Haberda zuckte mit den Schultern. »Na ja«, meinte er, »er ist einfach erstickt. Aber zumindest dies als unmittelbare Folge des Schusses. Hätte er überlebt, so wäre er wohl zeit seines Lebens gelähmt gewesen.«
    Das Publikum auf den Rängen ließ die beiden noch immer nicht aus den Augen, wie Warnstedt bemerkte. Der wissenschaftliche Nutzen dieser Sektion war offenkundig, aber dennoch empfand der Polizeibeamte ein bestimmtes Unwohlsein. Mochte es sein, dass nur noch ein paar Verkäufer von kandierten Früchten fehlten, um an einen Zirkus zu gemahnen, oder dass die Lautstärke der Anwesenden nicht einen gewissen Pegel überstieg: Für den Inspektor war eine Totenschau eindeutig zu morbid und zu intensiv und er fragte sich, wie man sich je an den penetranten süßlichen Geruch des Todes gewöhnen konnte.
    »Für mich ist hier wohl alles erledigt«, stellte Cyprian in den Raum. »Wie werden Sie weiter vorgehen?«
    Der Pathologe kannte die Wirkung, die eine Sektion auf Uneingeweihte ausübte, und nahm es dem Polizisten nicht übel, dass er einen Vorwand suchte, um sich geschickt zurückziehen zu können. »Ich werde zwei oder drei Studenten auswählen, die für mich die Organe beurteilen«, erklärte Haberda sachlich. »Für Ihre Unterlagen, Herr von Warnstedt, brauchen wir noch den deskriptiven Teil des Obduktionsberichtes. Konsistenz, Kohärenz, Farbe und Form der Eingeweide und so weiter … Sie verstehen sicher. Danach asservieren wir einige Proben für die lichtmikroskopische Untersuchung.«
    Der Beamte nickte. Die amtlichen Schreiben, die er bei jedem Mordfall von den Krankenhäusern erhalten hatte, glichen sich stets in Aufbau und Form. Nur was zwischen den Zeilen stand, offenbarte jedes Mal eine andere traurige oder schockierende Geschichte.
    »Wann wird die Nachsorge beendet sein?«, erkundigte sich Cyprian.
    »Vermutlich noch heute Abend«, gab der Arzt zur Antwort. »Soll unser Institut die Witwe benachrichtigen, ab wann die Überführung stattfinden kann?«
    »Ich wäre Ihnen dankbar dafür«, meinte Warnstedt erleichtert. Die Atmosphäre im Seziersaal erinnerte an die Gemälde von William Blake, an Bilder über Grauen, Leiden und Vergänglichkeit. All dies war ihm bereits viel zu trist, und die Aussicht, mit Lina Fichtner noch über Begräbnistermine sprechen zu müssen, hätte unweigerlich sein Gemüt bedrückt. Er machte einige Schritte zurück, als ein Lächeln über sein Gesicht huschte. »Sie entschuldigen, wenn ich Ihnen ausnahmsweise nicht die Hand reiche …«
    »Schon gut, Inspektor«, entgegnete der Pathologe verständnisvoll, und Warnstedt war heilfroh, das angekündete Mittagessen mit Kutteln umgangen zu haben. Er drehte sich um, bedachte die Studenten über ihm mit einem freundlichen Kopfnicken und verließ den Raum.
     
    Wenig später, an der frischen Luft und das Bollwerk des Narrenturms im Rücken, sah er eine Figur auf sich zukommen, die ihm bekannt erschien. Dick eingemummt, mit Hut auf dem Haupt und Schal um den Hals, spazierte Robert Fichtner über den Platz. Cyprian wartete ab, bis sein ehemaliger Kollege ihn erreicht hatte, und begrüßte ihn dann freundschaftlich.
    »Mächtig ins Zeug gelegt, um wieder fesch auszusehen«, bemerkte Warnstedt.
    Fichtner nickte gutmütig. Er war der spitzen Zunge nicht böse, und Cyprian fiel auf, dass der Sektionsrat während ihres ganzen Gesprächs den Schal vor den Mund hielt. Ihn dauerte dieser Kranke, und für kurze Zeit durchfuhr ihn der ungeheuerliche Gedanke, dass exakt eine solche Situation – eine herbstlich-winterliche Kälte, die einem in die Knochen fährt – die Schwindsucht bringen konnte.
    »Du kommst von Albin?«
    »Ja, ich war eben drin in der Pathologie.«
    Robert sah kurz zu Boden, bevor er sich nach dem Stand der Dinge erkundigte. Warnstedt erwähnte, dass die Polizeidirektion nun öffentlich Stellung nehmen würde, wahrscheinlich noch im Abendblatt.
    »Die Ermittlungen sind also offiziell«, bemerkte Fichtner. In seinem Gesicht war eine Spur von Erleichterung zu sehen.
    »Intern haben wir natürlich schon das Verfahren eröffnet«, meinte Cyprian. Er kämpfte kurz mit sich selbst, doch dann gab er sich einen Ruck. Unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit vertraute er seinem alten Freund an, wer alles zuletzt mit Wilhelm beisammengesessen hatte. Aus

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