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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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eigenen Mann verraten.
    Lina setzte sich wieder auf und presste ihre Lippen so fest aufeinander, dass sie ganz weiß wurden. Diese Zeiten waren vorbei. Endgültig. Das schwor sie sich. Sie wollte nie mehr abhängig sein, sich nie mehr auf einen Mann verlassen müssen.
    Widerwillig quälte sie sich aus dem blauen Kleid und schlüpfte in das einfachere dunkle, das sie zuvor getragen hatte und das man vorn mit ein paar Knöpfen schließen konnte. Das Klingeln des Telefons ließ sie aufschrecken. Lina begab sich in die Eingangshalle, nahm den Hörer in die Hand und meldete sich.
    »Danke.« Sie setzte sich auf den nächstbesten Stuhl. Die Leiche, ihr Mann, war freigegeben und konnte beerdigt werden. Erst als die Türglocke läutete, stand sie apathisch auf und öffnete.
    »Ach, du bist es, Robert. Komm herein«, begrüßte sie ihren Schwager.
    »Guten Tag, Lina. Wie geht es dir?«, wollte Fichtner wissen und trat ins Haus.
    »Den Umständen entsprechend, wie du dir denken kannst. Was willst du hier? Solltest du nicht in Meran sein?« Linas Augen funkelten. Sie mochte ihn nicht, diesen kränkelnden, ewig hustenden Mann, der sie schon missbilligt hatte, als sie und Wilhelm sich ineinander verliebt hatten.
    »Ich bin vor zwei Tagen zurückgekommen.« Robert hängte seinen schwarzen Zylinder an einen Haken und legte den vom Nieselregen feuchten Mantel ab. Den Schal behielt er an. »Lina, angesichts der Situation ist es doch selbstverständlich, dass wir miteinander reden müssen. Egal, was früher war.«
    »Ah, ja? Müssen wir?« Lina schritt an ihm vorbei in den Salon und ließ sich auf die mit kleinen Blumen bestickte Ottomane fallen. Robert folgte ihr seufzend.
    Die Witwe lächelte ihm süffisant entgegen. »Möchtest du den Platz deines Bruders einnehmen? Da ich jetzt frei bin, meine ich.«
    Fichtner setzte sich ihr gegenüber auf einen harten Holzstuhl mit gerader Lehne.
    »Du bist geschmacklos. Wie immer.« Hustend kramte Robert in seiner Hosentasche nach einem Taschentuch.
    Lina lachte hell auf. »Geschmacklos, sagst du. Pah! Ich war gezwungen, auf meinen guten Geschmack zu verzichten. Durch deinen lieben Bruder.« Sie wurde plötzlich wieder ernst. »Er ist tot«, murmelte sie, wie um sich selbst noch einmal zu bestätigen, dass dies wirklich der Tatsache entsprach. »Tot.« Sie richtete sich ein wenig auf. »Du möchtest keinen Tee, oder? Du gehst ja bald wieder, denke ich.«
    Robert blitzte sie an. »Doch, das wäre nett. Danke.«
    Wortlos stand Lina auf. Als sie in der Küche verschwunden war, sah sich Fichtner im Zimmer um. Schon einige Zeit war er nicht mehr hier gewesen und hatte es anders in Erinnerung – schöner, auch irgendwie größer. Jetzt schien er von dem mächtigen, mit Staub bedeckten Kronleuchter erschlagen zu werden, die Schränke an den Wänden machten einen groben, klobigen Eindruck und das Büchergestell war vollkommen überfüllt.
    Nach kurzer Zeit kam Lina mit einem Tablett zurück, auf dem zwei Tassen und eine Teekanne aus Porzellan standen, und stellte es auf das niedrige Beistelltischchen.
    »Hier.« Sie schenkte ihm ein.
    »Hat die Gendarmerie schon etwas herausgefunden? Haben sie dir etwas gesagt?«, erkundigte sich Robert, der auf den heißen Tee pustete und dann vorsichtig daran nippte. Sein Mund verzog sich durch die Bitterkeit des Getränks. »Haben sie neue Erkenntnisse?«
    »Nein. Was den Mord betrifft nicht. Aber wir können Wilhelm beerdigen. Sie sind – fertig mit ihm.«
    Der Sektionsrat blickte überrascht auf. Lina hatte so gefühllos, irgendwie seltsam gesprochen. Plötzlich sah er sie eindringlich an. »Lina?«, begann er zaghaft. »Du hast ihn nicht mehr sonderlich gern gehabt, oder?«
    Die Witwe erhob sich brüsk, ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut. »Was fällt dir ein, so etwas zu behaupten? Woher willst du das wissen? Habe ich dir je mein Herz ausgeschüttet? Nein! Dir bestimmt nicht.« Robert befürchtete, sie würde auf ihn losgehen, und duckte sich instinktiv. Lina wandte sich jedoch ab. »Er war mein Mann. Ich … liebte ihn«, flüsterte sie.
    Robert glaubte ihr nicht. Sie verhielt sich ungewöhnlich, nicht wie eine trauernde Frau, die vor Schmerz zergeht und sich tagelang im Bett verkriecht, um sich die Augen auszuweinen. Nein, Lina trauerte nicht. Davon war er überzeugt.
    Plötzlich sprang sie auf ihn zu und fauchte: »Und du? Was ist mit dir? Du hast deinen Bruder noch nie gemocht.« Lina zitterte vor Erregung. »Ihr wart neidisch aufeinander und habt

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