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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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Effekten des Toten ist bereits abgeschlossen«, erklärte er. »Diese Aufgabe hat uns die Kriminalpolizei abgenommen. Worauf wir uns in den nächsten Schritten beschränken werden, ist die innere Besichtigung, von der ich Ihnen bereits ausführlich in unseren Theoriestunden berichtet habe.« Er räusperte sich, während er gleichzeitig den Blick hob und ihn über das Rund der Sitzreihen schweifen ließ.
    Haberda griff nach einem Skalpell. Er setzte die Klinge am Kopf an, doch ehe er den ersten Schnitt wagte, fühlte er sich bemüßigt, eine weitere Erklärung abzugeben: »Wie in Ihren Unterrichtswerken dargestellt, meine Herren, so beginne auch ich mit der Offenlegung der Schädelhöhle, der Brust- und Halsorgane und schließlich der Organe des Bauches.« Warnstedt trat instinktiv zwei Schritte zurück, als er dies vernahm, doch der Blutschwall, den er absurderweise erwartet hatte, blieb natürlich aus: Das Blut war bereits ausgekühlt und geronnen. Nachdem der Mediziner den Schädelknochen freigelegt und das Skalpell gegen eine Säge ausgewechselt hatte, war bald das eindringliche Geräusch von feilendem, kratzendem Metall zu vernehmen. Kreisrund und leicht abgeschrägt wetzte er die Schädeldecke ab, bis sie nach unten klappte. In diesem grotesken Moment ähnelte sie einer weißen Keramikschale.
    Die gräuliche Substanz, die Warnstedt sah, war also das Hirn. Es war ein irgendwie bedrückender Moment, wenn man daran dachte, dass noch vor wenigen Tagen ein Mensch damit überlegt und den Verstand gebraucht hatte. Alles, was das Tun und Fühlen dieses kürzlich noch lebendigen Wesens definiert hatte, war durch die Arbeit dieser Masse entstanden. Die Geisteswelt Wilhelm Fichtners lag zur Schau gestellt vor ihnen.
    Albin Haberda entnahm das Hirn und widmete sich Bauch und Oberleib der Leiche. Ein wenig unterhalb der rechten Warze setzte er zum Schnitt in Form eines Ypsilons an und öffnete den Brustkorb. Ein eindringlicher Geruch füllte den Raum. »Jetzt kommt es hart auf hart«, meinte der Pathologe mit makabrem Charme in der Stimme. Cyprian von Warnstedt vernahm ein Rascheln auf den Plätzen, und auch ohne sich umzudrehen, wusste er, dass die Studenten die Hälse reckten, um besser sehen zu können. Unter all den Instrumenten, die ihm zur Verfügung standen, nahm sich der Arzt ein meißelartiges Werkzeug zur Hand und klopfte das Brustbein auf. Es knackte vernehmlich, als die Rippen brachen.
    Wenig später lagen die beiden Lungen- und Leberlappen sowie das Herz auf dem Beistelltisch. Haberda widmete sich der Entfernung der Schilddrüse, indem er von der nunmehr leeren Brusthöhle nach oben in den Hals griff und das Organ mit einem Skalpell sachte abtrennte. Im Plauderton erklärte er sein Vorgehen. Mitunter machte er Witze, gab zum Gaudium der Zuhörerschaft einige Albernheiten von sich und setzte hin und wieder eine geistreiche Bemerkung. Danach ging er zu Magen, Gallenblase und Darm über, und als schließlich die vorderen Organe alle entfernt waren, schnitt er Niere, Pankreas und Milz weg.
    Ein Pfiff des Erstaunens ließ Warnstedt erahnen, dass der Mediziner fündig geworden war. »Zange!«, bat er. Der Polizist warf einen Blick auf das medizinische Besteck und suchte das passende Instrument aus. »Hier.«
    »Da haben wir ja das kleine Kerlchen«, verkündete Haberda fröhlich, als er dem Publikum eine deformierte Kugel präsentierte. »Schon allein der Umstand, dass das Geschoss innerhalb des Körpers verblieben ist, lässt den Schluss zu, dass es keine Austrittswunde gibt«, dozierte er weiter. »Natürlich lässt sich auch der Umkehrschluss annehmen: Gibt es keine Austrittswunde, so ist das Geschoss noch in der Leiche. Dies betrifft natürlich nur Schusswunden.«
    »Wo war die Kugel?«, wollte der Inspektor wissen.
    Der Pathologe drehte sich um die eigene Achse und deutete auf die Organe, die er geordnet auf den Beistelltisch ausgelegt hatte. »Sehen Sie diesen Lungenflügel hier?«
    Warnstedt nickte. Vor ihm lag ein zusammengefallener Haufen organischen Materials, irgendwie klebrig und doch porös. Wie man mit so etwas atmen konnte, war ihm schleierhaft.
    »Die Waffe war auf diesen Teil der Lunge gerichtet. Die Kugel fuhr durch das Gewebe hindurch und blieb im Rückgrat stecken. Zurück blieb ein zerfetztes Organ, dessen Wände sich verklebten. Sie können sich das in etwa so vorstellen: Nehmen Sie einen Luftballon, wie man ihn im Prater zuweilen kriegt, und blasen sie diesen etwas auf. Wenn Sie dann mit einem

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