Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
Hunger. Der Verstand ist nicht beeinträchtigt. Man weiß nicht genau, worauf man Appetit hat. Und ob das Fleisch blutig, medium oder zäh sein sollte. Es gibt kein Fleisch? Dann eben heute Fisch. Das Fleisch läuft ja nicht weg. Lässt man diese sehr unkomplizierte Phase des Hungers verstreichen, kommt Phase zwei (die wählerische): Es muss Filet vom Angus-Rind sein. Aber nur von Julio gebraten! Und so zart, dass man es mit dem Löffel essen kann.
Schafft man es in dieser Phase nicht schnell genug ins Restaurant,folgt Phase drei (die Torschlusspanik, ich esse alles). In dieser Phase muss es kein Rinderfilet sein, man knabbert zur Not auch an der Speiseröhre eines an Alterschwäche gestorbenen Suppenhuhns. (Sie haben sich schon immer gefragt, wie diese tolle Frau an den Deppen kommt? Speiseröhre!)
Schließlich landen wir bei Phase vier (die abgeklärte, jetzt ist es auch egal). Der Hunger ist weg. Verschwunden. Der Appetit auch. Der Mensch ist jetzt bedürfnislos glücklich. Außen sieht er aus wie immer, aber im Inneren ruht die Kraft und Gelassenheit eines buddhistischen Mönches.
Die Senatorin schien sich bereits ernsthaft Sorgen um mich zu machen, und so riet sie mir: Morgen, wenn es regnet, zieh dein schönes weißes Kleid an und radel ein bisschen durch Mitte. Triff an irgendeiner Ecke einen unglaublich gut aussehenden Mann mit dunklen Haaren und buschigen Augenbrauen und lass ihn dir hinterherfahren.
Ich befolgte ihren Rat. Und als wir so dahinrasten in eine Linkskurve, er ein bisschen voraus, ich knapp dahinter, da lachte er plötzlich. Er wurde noch schneller, wir waren bis auf die Knochen durchnässt. Wir fuhren ein Rennen, aber was würde am Ziel passieren?
Da, das Schild meines Edeka-Marktes.
Mein Gegner raste weiter. Ich aber hielt an. Ich hatte Hunger.
Liebe Pankower, jetzt seid ihr mal dran
Scharenweise verlassen meine Freunde Berlin, um ihr Glück in der Provinz zu suchen. Die Senatorin ist nach Frankfurt gezogen; Attraktiver Nachbar wohnt jetzt in einem Entwicklungsland auf der Südhalbkugel; Dr. T. lebt ähnlich weit ab vom Schuss in Düsseldorf, ohne Gegenwehr gegen die dort grassierenden Blondinen. Zudem habe ich mehrere Freundinnen an die Schweiz verloren. Die anderen, verbliebenen, sagen Sätze wie: Wir heiraten übrigens nächsten Monat.
Das mag ja im Einzelfall sehr erfreulich sein, in der Gesamtheit ist es furchteinflößend. Und das Schlimmste: Viele heiraten sogarschon zum zweiten oder dritten Mal! Und ich weiß nicht genau, was schlimmer ist: die Menschen, die einen verlassen, weil sie wegziehen, oder diejenigen, die einfach wegheiraten.
Frau Zeh und ich werden also ein weiteres Mal überrundet. Das ist, als würde man beim Mensch-ärgere-dich-nicht immer noch versuchen, eine Sechs zu würfeln, um endlich ins Spiel einzusteigen, während die anderen schon in der Mitte Aufstellung nehmen. Wahrscheinlich ist da gar keine Sechs auf dem Würfel.
In Prenzlauer Berg entspannt sich die Lage. Neuerdings ist es total out für Eltern, weiter hier im sanierten Altbau ohne Garten zu wohnen. Wer modern ist, zieht mit seinem Nachwuchs raus ins grüngraue Pankow. Das ist ein bisschen lästig, weil man erst mal eigene Kindergärten, eigene Grundschulen und schließlich eigene Gymnasien gründen muss. Man macht ja nicht all dieses Zeugs – Babyyoga, musikalische Früherziehung nach Piere van Houwe, Säuglingszeichensprache –, nur damit die Kleinen anschließend in so einer Ostschule von einem Margot-Honecker-Verschnitt auf Linie gebracht werden.
Warum Pankow? Weil man dort viel mehr Wohnung fürs Geld bekommt. Ob man da auch mehr Supermarkt fürs Geld bekommt, ist zwar die Frage, aber wenn der Bedarf steigt, steigt auch der Druck auf den örtlichen Einzelhandel: »Hallorenkugeln mag die Elise nicht so. Haben Sie denn keine Schoko-Flakes von Cadbury?« Liebe Pankower, wir hatten sie lange genug, jetzt seid ihr mal dran.
Am vergangenen Wochenende war ich mit Dr. M. und seinem Porsche auf dem Golfplatz. Während der Porsche und ich nicht weiter auffielen, weil wir beide dunkelblau gewandet waren, erschien mir Dr. M. mit seiner hellblauen Golftuchhose und der grünkarierten englischen Weste ein wenig gewöhnungsbedürftig. »Klappt doch schon wieder ganz gut nach der Winterpause«, sagte M., nachdem er den 27. Ball in das benachbarte Roggenfeld geschlagen hatte. »Ja, ganz toll durchgeschwungen«, sagte ich, weil M. noch immer sein Sechser-Eisen in der Hand hielt.
Ich kenne mich da ja nicht
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