Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
Spinnenphobiker, dem ständig Spinnen über den Weg laufen, oder der Scheibe Toast, die immer auf der Marmeladeseite landet. Es gibt Menschen, die Unglück anziehen. Ich ziehe Hochzeiten an.
Am vergangenen Wochenende durfte ich erneut Zeuge einer Eheschließung sein, die siebte oder achte in diesem Jahr. Nun könnte man meinen, es sei wie bei einer Konfrontationstherapie: Wenn man nur auf genügend Hochzeiten gegangen ist, verlieren sie irgendwann ihren Schrecken. Das Gegenteil ist der Fall.
Gegner der Partie vom Wochenende waren Deutschland gegen den Balkan. Das hatte den Vorteil, dass das übliche Feier-Ritual (Ja, ich will, Kuss, Reis, Champagner) von ein paar balkanspezifischen Spezialitäten aufgelockert wurde. Beispielsweise müssen sich auf dem Balkan alle unverheirateten Männer im Halbkreis aufstellen, um das Strumpfband, das die Braut seit dem frühen Morgen getragen hat, zu fangen. Wer das Strumpfband abbekommt, heiratet als Nächster. Erfolgversprechender ist es aber, das Ding im Internet an Perverse zu versteigern. Damit hätte der Fänger dann die Ausgaben für das Hochzeitsgeschenk wieder drin.
Niemals werde ich den Auftritt von Attraktiver Nachbar mit seiner griechischen Braut vor einigen Monaten vergessen. Zu einemTriumphmarsch schritten sie in Athen einen Hügel hinab, auf den Batterien von Feuerwerksfontänen montiert waren. »Jetzt ist Attraktiver Nachbar durchgedreht«, sagte ich damals zu meinem Tischherrn, dem griechischen Halbgott Apostolos. Er schaute mich verständnislos an und strich mich in Gedanken von seiner Halbgott-Anwärterinnen-Liste.
Auch die aktuelle Hochzeit war alles andere als langweilig. Kurz vor Mitternacht trat Dascha im Ballhaus auf, Interpretin traurigschöner Balkan-Lieder. Dascha trug ein rotes Kleid, dessen raffinierter armfreier Schnitt das dunkelbraune Flokatifell unter ihren Achseln gekonnt zur Geltung brachte. Meinem Tischherrn, dem Baron XY, der eben noch Schiller rezitiert hatte, fiel fast der Cognacschwenker aus der Hand, als Dascha zum ersten Mal die Arme hochriss.
Dascha hatte extra eine liebevolle Moderation für das Brautpaar geschrieben. »Dann kam dein Traumprinz, der Dieter.« Stille im Saal. »Und dann war dein Dieter weg.« Mit der Schärfe, mit welcher der Bräutigam nun ausatmete, hätte man locker schon mal die Hochzeitstorte anschneiden können. Denn der Bräutigam hieß natürlich nicht Dieter. Ganz im Gegensatz zum Ex-Mann der Braut. Dascha hob bedauernd ihre Bärenpelzarme. »Aber welch ein Zufall. Der Bräutigam heißt ja mit zweitem Namen Dieter.« – »Nein! Torsten!«, brüllten nun die Hochzeitsgäste. Bevor Dascha Schlimmeres anrichten konnte, zog jemand die Polka-Anarchisten von »Fanfare Kalaschnikoff« hinter dem Vorhang hervor und rettete Dascha so vermutlich das Leben. Ich glaube, der Dieter hätte seine Freude gehabt.
So viel Glück hat man natürlich nicht immer auf Hochzeiten. Meist geht es eher langweilig und konventionell zu. Das liegt daran, dass so viele Ehen heute einzig aus Vernunftgründen geschlossen werden. Das haben Soziologen der Universität Mainz herausgefunden. Gerade mal 13 Prozent der von ihnen befragten 377 Ehepaare konnten als maßgeblichen Grund Liebe für ihre Ehe nennen. Die meisten anderen hatten gleich eine ganze Palette von Gründen (Steuern etc.). Noch schlimmer ist, dass diese aus Vernunftgründen geschlossenen Ehen offenbar auch noch länger halten. Da wartenwir unverheirateten Romantiker seit Jahren geduldig auf die zweite Runde – und die soll jetzt etwa auch noch ausfallen?
Gestern bekam ich eine E-Mail von Attraktiver Nachbar, der sich wie immer irgendwo auf der Südhalbkugel herumtrieb: »Kannst du mir einen Gefallen tun? Ein Bekannter von mir kommt nach Berlin. Stichworte: Torontos Bachelor of the Year, unglaublich gut aussehend, Gründer einer Hilfsorganisation. Könntest du dich um ihn kümmern?« Ich denke, ich werde so vernünftig sein, mir den Junggesellen des Jahres mal unverbindlich anzuschauen. Hoffentlich ist der Mann kein Romantiker.
Droht uns ein Putsch der Superhirne?
Neulich parkte ich mein plattes Fahrrad vor der Wohnung eines sympathischen Herrn. »Tja, da brauche ich jetzt wohl ein neues Rad«, sagte ich zu ihm. »Schade, denn es hat mir gute Dienste geleistet. Aber die Kette hatte sich ohnehin gelockert.« Der sympathische Herr zog eine Augenbraue nach oben, eilte sodann in seine Abstellkammer, die ich bis dahin für eine Außenstelle der Prenzlberger Altkleidersammlung
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