Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
Grund auf zu ändern.
Am einfachsten schien es mir, zunächst tanzen zu lernen – das kann nicht so schwer sein, wenn man sich anschaut, was sich auf Juristenbällen herumtreibt. Thermometer und Ehemann würden sich dann wie von selbst ergeben. Im Internet stieß ich auf Greg, den mobilen Tanzlehrer. »Gibt es noch etwas zu bedenken?«, fragte ich Greg. »Ja«, sagte er, »kommen Sie nicht in Gummistiefeln.« Aha, ein Witzbold.
Normalerweise sollte man bei Treffen mit Männern, die man sich aus dem Internet fischt, eher vorsichtig sein. Möglicherweisehandelt es sich um Menschen, die schon jede Menge Tanzwilliger zerteilt und in ihren Kühlschränken verstaut haben. Aber mit solchen Kleinigkeiten konnte ich mich nicht aufhalten. Schwerer wog, dass Greg auf dem Foto einen Schnauzbart trug. Gut, ich muss ihn vermutlich nicht heiraten, aber man hat ja seine ästhetischen Mindestansprüche, wenn man sich so nahe kommt. Wenigstens hatten wir nichts Lateinamerikanisches verabredet, wo die Hüften aneinanderkleben. In meiner Reihenfolge körperlicher Annährung kommt Hüftenaneinanderkleben definitiv nach: Darf ich dich ins beste Restaurant der Stadt einladen?
Wir trafen uns in einem schäbigen Hinterhaus am anderen Ende der Stadt. Irgendwo im Westen, wo noch der gute alte Standardtanz gelehrt wird. In den Wänden hing der Brandgeruch aus dem Krieg. In jedem halben Stockwerk befanden sich videoüberwachte Toiletten. Vielleicht war ich ja gar nicht in Westberlin. Vielleicht war ich in der Hölle.
»Hier entlang«, sagte plötzlich eine Stimme. Es war die von Greg. Ich folge ihm widerstandslos in einen Raum mit sehr glattem Parkett. Mit der aufreizenden Langsamkeit, mit der ein Massenmörder sein Instrument schärft, tauschte er seine Straßen- gegen Tanzschuhe. Dann legte er eine Anett-Louisan-CD ein. Als die ersten Takte erklangen, hörte man ein lautes Krachen. Es war mein Wille, der da brach.
»Ich brauche ja eigentlich gar keinen Tanzlehrer«, sagte ich zu Greg, um die Stimmung ein bisschen aufzulockern, »sondern eher einen Therapeuten. Hahaha.« Greg musterte mich kein bisschen amüsiert: »Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich die Tanzstunde abgesagt. Von solchen Frauen habe ich die Nase voll …« Nun hielt Greg mich also nicht nur für eine sehr schlechte Tänzerin, sondern obendrein für jemanden, der ihn in den kommenden Wochen mit nächtlichen Anrufen belästigen würde.
Dann schritten wir zur Tat. Zunächst etwas verzagter Slowfox, dann ein Discofox. Plötzlich musste ich daran denken, was mir wohl alles erspart geblieben ist, weil ich früher in der Dorfdisco keinen Discofox tanzen konnte. Dass ich Greg immer mal wieder auf die Füße trat, versuchte ich ihm damit zu erklären, dass es die Idee desTanzens noch nicht vom Kopf bis in die Füße geschafft hätte. In einer der Pausen sagte ich Greg, ich hätte von einem Tanz gehört, bei dem Frauen führen dürften – ein Witz, der mir Gregs ganze Verachtung einbrachte. Also hielt ich meine Klappe und tanzte.
Nach einer Woche Greg halte ich nun Walzer für eine meiner Grundgangarten. Ich denke, damit bin ich reif für ein Außenthermometer.
Die Südsee, das Monster und ich
Neulich wollte ich den zweimonatigen Geburtstag meiner Bronchitis feiern. Ich packte also Badeanzug, Shorts und einen gut aussehenden Begleiter ein, der mich bei Schwächeanfällen würde auffangen können, und fuhr so ausgerüstet ins »Tropical Islands«. Das ist die Halle vor den Toren Berlins, in der immer Sommer ist. Nur die sommertypischen Mücken, Quallen, Ameisen und arbeitslosen Neonazis am Strand fehlen. Die muss man sich halt dazudenken.
Normalerweise erträgt man die Wintersaison in Berlin ja nur, weil der Sommer groß war und es auch im nächsten Jahr wieder sein wird. Der Sommer war aber nicht groß. Er war klein, winzig klein. Und der November ist auch klein. Und kalt. Sogar geschneit hat es schon. Dabei ist Schnee völlig überflüssig, seit es Skihallen gibt. Eigentlich sollte es für jede Jahreszeit und Gelegenheit eine eigene Halle geben. Wüsten- und Polarhallen, Nordseehallen und Rotweinhallen. Prenzlauer-Berg-Hallen mit Erwachsenenbereich. Und eine Hamburghalle mitten auf der Spree. Mit Türsteher. Weil sich aber niemand bequemt, diesen Traum zu erfüllen, ist es doch verdammt noch mal gut, dass es in der Nähe von Berlin wenigstens so eine Zeppelinhalle gibt, in der es 26 Grad warm sein soll und wo die Palmen wachsen. Wobei das alles nicht nötig
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