Singularität
abschießen, weil die Position der Lord Vanek in diesem Fall ohnehin schon preisgegeben war.
Allerdings mussten sie erst einmal vom Schiff herunterkommen.
Zweifellos würde das Suchkommando innerhalb von Minuten vor
ihrer Kabinentür stehen, ausgerüstet mit Blechschneidern
und Waffen.
Die ausgehöhlten Schotts zwischen diesem Witz von
Rettungsboot und der äußeren Schiffshülle waren ja
gut und schön, aber wie sollte sie einen sauberen Durchbruch
schaffen, ohne die da draußen zu alarmieren?
»Roboter eins, übermittle Beginn der ersten
Zerstörungsphase.«
»Bestätige Beginn der ersten
Zerstörungsphase.«
»Schwert. Bestätigung?«
»Bestätigt.«
Der Transponder in ihrem Gepäck schickte den Sirenengesang
der Zerstörung aus und nutzte dazu Wellenlängen, die nur
Rachels Spionageroboter – die wenigen, die noch übrig waren
– hören würden. Roboter eins, eingezwängt ins
Abflussrohr der Zelle, in der man Martin gefangen gehalten hatte,
würde auf das Signal lauschen. Und den letzten Rest seiner fast
erschöpften Reserven dazu nutzen, seine winzige Sprengladung zu
zünden. Die Ladung war zwar nicht einmal so groß wie eine
Handgranate, aber sie besaß genügend Kraft, das
Abflussrohr der Toilette zu zerfetzen.
Kriegsschiffe können sich bei ihren sanitären
Einrichtungen nicht auf Gravitation stützen. Das Abwassersystem
der Lord Vanek stand künstlich unter Druck und bestand
aus einem komplizierten Netz von Rohrleitungen, die durch Klappen
miteinander verbunden waren, um Rückstaus zu verhindern. Die Lord Vanek recycelte die Jauche nicht, sondern lagerte sie
ein, damit Fäkalien nicht etwa zu Schrapnells gefroren. Denn
dann hätten sie das Raumschiff und seine Trabanten wie eine mit
eiskalten Kugeln geladene Schrotflinte zerfetzen können. Aber
erstens kann es anders kommen und zweitens als man denkt. Zwar schien
es vernünftig, die Fäkalien in Tanks aufzubewahren, um
Raumtrümmer möglichst zu vermeiden, aber andere Risiken
– wie eine Katastrophe an Bord, ein elektrischer Kurzschluss
oder das Versagen der lebenserhaltenden Systeme – waren dabei
nicht eingerechnet.
Als die von Rachel konstruierte behelfsmäßige Bombe
explodierte, zerriss sie ein abwärts verlaufendes Rohr, durch
das Abwasser und Fäkalien eines ganzen Decks zu den großen
Tanks transportiert wurden. Was noch schlimmer war: Sie zerfetzte
auch eine Klappe, die den Rückstau regulierte. In der Folge
strömte das Abwasser von den Tanks zurück und verteilte
sich überall, hunderte von Litern pro Sekunde, die
Konstruktionen und Leitungen durchnässten. Sofort schrillten in
den Wartungsräumen Schadenmelder los. Hastig öffnete der
Rekrut, der dort Dienst tat, die Hauptklappen und beförderte die
ganze Soße hinaus ins All. Die Lord Vanek hatte fast
zwölfhundert Mann Besatzung an Bord und war seit Wochen
unterwegs. Was sich aus dem Speigatt ergoss, dem Loch in der
Schiffswand zum Wasserablauf, war ein höllischer Regen. Fast
zweihundert Tonnen von Abwasser drangen just in dem Moment ins All
hinaus, als Rachels Rettungsboot den Countdown zum Start gerade zu
Ende brachte.
Bei der Montage des Rettungsbootes hatte die Roboterfabrik in
Rachels Gepäck ausgiebige, um nicht zu sagen verheerende
Veränderungen in ihrer Kabine vorgenommen. Angeblich massive
Schotts zersplitterten wie Glas. Auf der äußeren
Schiffshülle zerfiel eine fünfzig Zentimeter dicke Schicht
aus zermahlenen Diamanten im Umkreis von drei Metern zu einer
Pudermasse. Als Rachels Notsitz ins Schlingern geriet, drehte sich
ihr der Magen um. Doch dann sprangen die behelfsmäßigen
Kaltgasdüsen ein und schoben das neugeborene Rettungsboot aus
dem zerfetzten Mutterschoß nach draußen. Ein seltsamer,
schmerzhafter Druck, der in Wellen kam, machte ihr zu schaffen.
Martin stöhnte so, als hätte ihm jemand einen Tiefschlag in
den Magen versetzt. Gleich darauf trat das Rettungsboot in das
gekrümmte Raumfeld des Schiffes ein – in ein Gefälle
von einem g, das sich rund hundert Meter in den Raum
erstreckte. Zwar ächzte und schlingerte das Boot
unheilverkündend, begann aber gleich darauf mit seinem Sturzflug
und fiel kopfüber auf das Heck des Kriegsschiffes zu.
An Bord der Lord Vanek schrillten Sirenen los, die vor der
Reduktion der Schwerkraft warnten. Fluchende Brückenoffiziere
zerrten an den Sicherheitsgurten ihrer Sitze. Überall auf dem
Schiff brüllten die Maats nach ihren Matrosen und riefen sie zu
den Schutzräumen.
Kommandeur Krupkin, der im unteren
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