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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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griff nach seiner Hand und zerrte leicht
daran.
    »Was?« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin
nur…«
    »Kommen Sie«, sie zog fester. »Kommen Sie mit ins
Wohnzimmer.«
    »Okay.« Als er aufstand, fiel ihr auf, dass er nicht
größer war als sie selbst. Er schien ihrem Blick
auszuweichen. Die Situation machte ihn tatsächlich verlegen.
    »Was ist los?«, fragte sie noch einmal.
    Er lachte kurz und humorlos auf. »Sie sind der erste
vernünftige Mensch, den ich in den letzten vier Monaten
getroffen habe«, sagte er leise. »Ich hab mich gerade erst
daran gewöhnt, mit Ihnen zu reden.«
    Sie sah ihn unverwandt an. »Sie müssen ja auch nicht
damit aufhören.«
    »Ich…«, er nahm wieder die alte, starre Haltung an.
Warum tut er das?, fragte sie sich. »Sagen Sie etwas!«
    »Ich…«, er schwieg kurz, sodass sie schon Angst
hatte, er werde überhaupt nicht mehr weiterreden. Doch dann
platzte es aus ihm heraus: »Ich will ja auch gar nicht damit
aufhören. An diesem Ort bin ich die ganze Zeit über in
meinem eigenen Kopf eingesperrt, so als steckte ich in einem
Schraubstock, der mich zusammenquetscht. Das Einzige, das
irgendjemand von mir will, ist meine Arbeit…«
    Rachel lehnte sich gegen ihn. »Halt den Mund«, sagte sie
leise. Er brach ab. »Besser so.« Sie fand, dass er wirklich
eine gute Stütze abgab, an die man sich anlehnen konnte. Als sie
ihn umschlang, brauchte er einen Moment, bis er die Umarmung
erwiderte. »Vergiss die Arbeit. Tja, du hast richtig
gehört. Vergiss die Neue Republik. Glaubst du, das schaffst du
für einige Stunden?«
    »Ich…«, sie spürte seinen bebenden Atem,
»ich werd’s versuchen.«
    »Gut«, sagte sie nachdrücklich. Und sie fühlte
sich auch wirklich gut dabei: Hier war ein Mensch, den sie für
verlässlich halten konnte. Jemand, dem diese ganze
verkümmerte, klaustrophobische Zustände erzeugende Kultur
offenbar ähnlich zu schaffen machte wie ihr selbst. Inzwischen
hielt er sie fest in den Armen. Sie spürte, wie seine Hände
an ihrem Rücken hinauf und hinunter wanderten und ihre schmale
Taille erforschten. »Komm mit ins Wohnzimmer, es ist gleich
nebenan.«
    Martin hatte sich mit einem Blick rückversichert.
»Willst du es auch wirklich?«, fragte er jetzt. Die
vorsichtige Zurückhaltung machte einen Teil seines Charmes
aus.
    »Was könnte es da noch an Zweifeln geben?«
Während sie ihn heftig küsste und ihre Zunge seine Lippen
entdeckte, hatte sie das Gefühl, sie werde gleich explodieren
und die Fesseln ihrer Kleidung sprengen. Sanft zog er sie näher
an sich heran, sodass sie ihr Kinn in seiner Halsgrube bergen konnte.
Sie spürte die Bartstoppeln auf seiner Wange. »Es ist so
verdammt lange her«, flüsterte sie.
    »Danke gleichfalls.« Seine Arme nahmen ihr einiges von
der Bürde, die auf ihr lastete. »Hast du dich einsam
gefühlt?«, fragte er.
    Sie lachte heiser auf. »Du kannst dir gar nicht vorstellen,
wie einsam. Ich bin eine kleine Ewigkeit hier; so lange, dass ich mir
selbst schon wie ein schwarzes Schaf vorkomme, wenn ich mit fremden
Männern rede und etwas anderes aus meinem Leben mache, als
Kinder großzuziehen. Deren Lebensphilosophie setzt mir
inzwischen arg zu.«
    »Wie bitte? Eine große, starke UN-Agentin wie du
lässt sich von solchen Dingen beeindrucken?«, bemerkte er
mit sanftem Spott.
    »Da hast du verdammt Recht«, murmelte sie an seiner
Schulter, während sie spürte, wie seine Hand sich
vorsichtig unterhalb ihrer Taille vortastete.
    »Tut mir Leid. Hätte ich sechs Monate allein auf diesem
grässlichen Planeten verbringen und mitspielen müssen,
wäre ich längst ausgerastet«, sagte er
nachdenklich.
    »Es waren mehr als sechs Monate«, erwiderte sie und
blickte an seinem Kopf vorbei. Er hat hübsche Ohrläppchen,
fiel ihr beiläufig auf, als sie sich näher an ihn
drückte.
    »Suchen wir nach der Weinflasche«, schlug er sanft vor.
»Du bist mir ein bisschen zu schnell.«
    »Tut mir Leid«, sagte sie automatisch. »Tut mir
wirklich Leid.« Sie verkrampfte sich leicht. »Nein, du
kannst deine Hände ruhig da lassen, wo sie sind. Komm, wir gehen
rüber.«
    Irgendwie schafften sie es, ohne einander loszulassen ins
Wohnzimmer zu gelangen, das mit allzu üppig gepolsterten
Lehnstühlen und einer Vitrine voller Nippes ausgestattet
war.
    »Anfangs hab ich dich für eine Art Agent provocateur
gehalten«, bekannte er, »aber stattdessen hast du dich als
der erste richtige Mensch auf diesem Planeten entpuppt.« Er
ließ die Bemerkung im Raum

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