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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Hintern verlieben kannst,
würde jeder vermuten, dass du dein erstes Jahrhundert noch
längst nicht hinter dir hast. Und dennoch musste sie sich
eingestehen, dass sie dem Wiedersehen mit Martin am kommenden Abend
entgegenfieberte. Die Schmetterlinge im Bauch siegten über Alter
und Zynismus, auch wenn sie aus langjähriger Erfahrung wusste,
was das bedeutete: Komplikationen…
     
    Die Interorbitfähre löste sich von der Andockbrücke
des Marinestützpunktes und schob sich langsam am Fahrstuhl zum
All vorbei. Die Kaltgasantriebe sorgten dafür, dass sie die
anderen Beförderungsmittel, die hier herumschwärmten, bald
hinter sich ließ. Zehn Minuten, nachdem sich die Fähre in
den freien Raum manövriert hatte, erhielt der Pilot von der
Flugkontrolle die Erlaubnis, den Hauptantrieb zu zünden. Ein
grell orangefarbener Schweif glühender Quecksilberionen schoss
aus drei großen, rechteckigen Kästen, die rings um die
Luken zum Frachtraum am Heck angebracht waren, und die Fähre
beschleunigte. Bekanntlich waren Ionenantriebe langsam, dafür
aber zuverlässig. Nach tausend Sekunden bewegte sich die
Fähre mit fast zweihundert Stundenkilometern von der Raumstation
fort, und es wurde schon wieder Zeit, das Tempo zu drosseln, um am
Raumschiff anzudocken, das inzwischen fast sechzig Kilometer von der
Raumstation entfernt zum Stillstand gekommen war.
    Gemessen an den Entfernungen innerhalb des Orbits, waren sechzig
Kilometer gar nichts; die Lord Vanek lag unmittelbar vor der
Haustür des Fahrstuhls zum All. Aber diese Position hatte einen
entscheidenden Vorteil: Das Schiff war startklar und konnte seine
Reise von hier aus sofort mit hoher Geschwindigkeit antreten. Sobald
der Bordingenieur mit der Aufrüstung der Ausgleichsregler des
Antriebskerns fertig war, konnte es losgehen.
    Flugkapitän Mirsky verfolgte auf einem der Videoschirme an
seinem Arbeitspatz, wie die Fähre im Steilflug zu den
Andockbrücken am Bug der Lord Vanek emporstieg. Er war
allein auf seinem Posten und ackerte stur die Memoranden und
Anweisungen durch, die sich mit der gegenwärtigen Lage
befassten; seit dem Zeitpunkt, zu dem er die Instruktionen erhalten
hatte, war ein ziemliches Chaos entstanden, und ihm war deutlich
bewusst, dass die Vorbereitungen noch längst nicht abgeschlossen
waren.
    Mirsky, ein Mann mittleren Alters mit kräftigem Brustkorb und
gepflegtem angegrautem Bart, dessen Farbton zum Kopfhaar passte,
entsprach genau dem, was man sich in der Neuen Republik unter einem
Marinekapitän vorstellte. Allerdings verbarg die Maske des
Selbstvertrauens ein hohes Maß an Unsicherheit. Schon seit
einer Woche hatte er beobachtet, was sich hier zusammenbraute. Und so
sehr er sich auch bemühte, vernünftige Erklärungen
für die gegenwärtige Situation zu finden, wurde er das
Gefühl nicht los, dass zwischen dem Außenministerium und
der Kaiserlichen Residenz irgendetwas völlig falsch gelaufen
war.
    Mürrisch betrachtete er die jüngste Anweisung, die auf
seinem Schreibtisch gelandet war. Die Sicherheitsbestimmungen sahen
weitere Verschärfungen vor. Sobald die letzten Werftarbeiter und
Ingenieure von Bord gegangen und die Luken dicht waren, sollte er die
Vorschriften so scharf handhaben, wie es ein Kriegszustand
erforderte. In der Zwischenzeit hatte er auf ganzer Linie mit
Prokurator Muller vom Büro des Kurators zusammenzuarbeiten.
Mullers Aufgabe an Bord bestehe in der gründlichen
Überwachung ausländischer Vertragsingenieure, die derzeit
mit Reparaturen am Hauptantriebssystem der Lord Vanek beschäftigt seien, hieß es.
    Er bedachte er die Aktennotiz, die er als persönliche
Beleidigung empfand, mit einem finsteren Blick. Gleich darauf griff
er nach dem Mikrofon der Sprechanlage: »Ilja soll sofort zu mir
kommen.«
    »Kommandeur Murametz, Sir? Sofort, Sir.«
    Als es leise an die Tür klopfte, brüllte Mirsky:
»Ist offen!« Gleich darauf trat Kommandeur Murametz ein,
der Erste Offizier, der für die Ausführung seiner Befehle
zuständig war, und salutierte. »Kommen Sie herein, Ilja,
treten Sie näher.«
    »Danke, Sir. Was kann ich für Sie tun?«
    »Geht um das hier.« Wortlos deutete Mirsky auf den
Bildschirm. »Irgendein aufgeblasener BÜRGER vom Büro
des Kurators möchte, dass mir sein Speichellecker das Schiff auf
den Kopf stellt. Wissen Sie irgendetwas davon?«
    Murametz beugte sich näher zum Bildschirm hinüber.
»Ja, wenn ich das in aller Bescheidenheit melden darf.«
Sein Schnauzbart zuckte. Mirsky hätte nicht sagen

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