Sinnliche Eroberung
ihr gebracht hatte. Seine Augen folgten dem Löffel zu ihren Lippen. »Hat sie das gekocht? Es schmeckt köstlich.«
»Sie ist Französin. Ich bin froh, sie zu haben.« Während er zusah, wie sie aß, wanderten seine Gedanken zu ihrer gestrigen Bewußtlosigkeit zurück. Als er sie in seine Arme hob, hatte sich ein eisiger Angsthauch um sein Herz gekrallt. Das Bedürfnis, sie zu beschützen, war übermächtig in ihm, und erfüllte ihn immer noch. Zuerst dachte er, es läge an ihrer Hilf-und Wehrlosigkeit - aber jetzt war er sich nicht mehr so sicher.
Ihm fiel ihre erste Begegnung wieder ein, auf dem Kostümball im Pantheon. Er hatte sich seltsamerweise sofort zu dem wunderschönen Mädchen hingezogen gefühlt; gewöhnlich bevorzugte er ältere, erfahrenere Frauen. Vielleicht lag es ja daran, daß sie im römischen Stil gekleidet war. Er besaß eine unerklärliche Vorliebe für alles Römische. Schon immer.
Was es auch war, er wusste sofort, daß er sie begehrte. Als er sich erklärte, schüttete sie ihm Champagner ins Gesicht. Mark Hardwicks Mund verzog sich zu einem trockenen Lächeln, da er sie in der Tat für eine Dirne gehalten hatte. Wie zum Teufel er auf diesen Gedanken verfallen konnte, war ihm unbegreiflich. Sie war umgeben von einer Aura der Unschuld, und ein Mann mit seiner Erfahrung hätte das sofort erkennen müssen.
Nun, Wunschdenken seinerseits hatte ihn zweifellos blind gemacht für ihre eindeutig gute Herkunft. Offen gestanden war es weit mehr als Wunschdenken gewesen, und zwar heiße Lust! Er konnte sich noch genau an die Worte erinnern, die sie ihm ins Gesicht geschleudert hatte, als er ihr carte blanche anbot: Sie sind viel zu arrogant und hochmütig und obendrein viel, viel zu alt für mich, Lord Bath.
Ebenfalls deutlich erinnerte er sich an die blinde Wut, die er empfand, als er in sein Zimmer kam und sie in den Armen von Peter vorfand. Bei seiner Verkündigung ihrer Verlobung schoß ihm ein gräßlicher Stich ins Herz; also war er nahe daran gewesen, sich in sie zu verlieben. In jenem Moment hatte er seinen Bruder gehaßt und sie ihm schamlos geneidet.
Es war schlimm, aber er begehrte sie immer noch. In der gestrigen Situation im Antiquitätenladen hatte er gezögert, sie nach Hardwick Hall und zu Peter zurückzubringen. Insgeheim hoffte er, daß Peter eine Verlobte, die einfach monatelang verschwand, zurückweisen würde; aber sein Bruder jubelte vor Freude über Dianas Wiederauftauchen und war sofort nach London aufgebrochen, um ihrer Tante und ihrem Onkel die gute Nachricht zu überbringen.
Keiner wusste , außer Nora und ihm selbst, daß er mitten in der Nacht in ihr Zimmer gekommen war, um Nora abzulösen; er wollte selber bei Lady Diana bleiben, da er hoffte, die Bewußtlose würde demnächst erwachen.
Während er sie dann beobachtete, wie sie still, bleich und reglos im Bett lag, wurde er von ihrer Schönheit beinahe überwältigt. Der bloße Gedanke an Diana hatte gereicht, um ihn an ihre Seite zurückzulocken. Und sobald er sich im selben Raum mit ihr aufhielt, packte ihn die Lust wie ein Würgegriff. Eine fast magnetische Kraft zwang ihn zu ihr, eine Kraft, die seinen Willen lahmzulegen schien. Seine Hand hatte sich ganz von selbst nach ihr ausgestreckt, um sie zu berühren. Er hatte ihr eine goldene Locke aus der Stirn gestrichen und von da an gehörte er ihr mit Leib und Seele.
Heiße Lust war in ihm aufgewallt, hatte sein Hirn, sein Herz, seine Lenden überflutet. Unbarmherzig schüttelte ihn die Sehnsucht. Seine Hand war zurückgezuckt, als ob er sich verbrannt hätte, dann hatte er seinen Stuhl ein wenig von ihrem Bett entfernt. Doch seine Lust ließ sich nicht verdrängen. Er war voll erigiert und verharrte die ganze Nacht lang in diesem unerfreulichen Zustand.
Seine Gefühle kamen ihm selbst so besitzergreifend vor, als hätte sie ihm einmal gehört und wäre ihm dann abhanden gekommen. Während der ganzen, endlosen Nacht flammten immer wieder flüchtige Erinnerungsblitze in ihm auf, Erinnerungsblitze an..., ja was? An eine andere Zeit, einen anderen Ort? Es handelte sich vielleicht um ein Dejä-vu-Erlebnis, war aber so vage und flüchtig, daß er sich an nichts festhalten konnte. Diese Gefühle kannte er übrigens schon von früher, immer wenn er ein römisches Artefakt in Händen hielt.
Wo, zur Hölle, war sie all die Monate über gewesen? Innerlich raste er vor Eifersucht. Und dennoch wusste er, daß er dazu kein Recht hatte. Lady Davenport war mit seinem Bruder
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