Sinnliche Eroberung
Zufall!«
»Absprache trifft es wohl eher«, stellte Diana richtig.
»Also, ich schwöre, du bist das undankbarste Geschöpf auf Erden! Wie du auch nur so etwas denken kannst, ist mir unbegreiflich. Natürlich hast du angenommen?«
»Natürlich habe ich abgelehnt. Wenn er wirklich so interessiert an mir ist, dann wird er schon wieder nach London zurückgerannt kommen.«
»Die Spröde zu spielen ist nicht immer das klügste. Es gibt hübschere Mädchen auf dem Heiratsmarkt dieses Jahr, mit bedeutenderen Stammbäumen.«
»Aber keine mit einer größeren Erbschaft«, konstatierte Diana ruhig.
»Laß mich dir sagen, daß Zynismus in deinem Alter einfach abstoßend ist! Wahrscheinlich lehnst du nur aus lauter Bosheit Peter Hardwick ab, weil ich ihn für eine gute Partie halte!«
Da ist mehr als ein Körnchen Wahrheit dran, dachte Diana.
»Nun, laß mich dir eines sagen: Du schneidest dir hier ins eigene Fleisch! Es ist allgemein bekannt, daß der Herzog selbst nicht heiraten will. Peter ist sein Erbe und wen immer Peter heiratet, wird nicht nur die Mutter des künftigen Herzogs von Bath - sie wird auch den elisabethanischen Herrschaftssitz, die Steinbrüche und den ganzen Rest erben!«
Es deprimierte und zermürbte sie, mit Prudence zu streiten; aber Diana war nicht bereit, sich als hirnloses Pfand im rücksichtslosen Kampf ihrer Tante um eine höhere Stellung in der Gesellschaft einsetzen zu lassen. Als sie schließlich am Grosvenor Square anlangten, herrschte eisiges Schweigen zwischen den Parteien.
Diana fand keinen Schlaf, da ihr die Ereignisse des vergangenen Abends den Kopf beschwerten. Gegen Bath hatte sie nichts einzuwenden; es war sicher eine traditionsreiche Stadt mit vielen alten Sehenswürdigkeiten, und die Architektur nach Palladio allein machte die Aussicht auf einen Besuch verlockend. Sie hegte auch keine ernstlichen Einwände gegen Peter Hardwick. Woran sie sich in Wahrheit störte, war Prudences rücksichtslose Art, ihr Leben zu diktieren. Kurz bevor sie einschlief, faßte sie den festen Entschluß, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Am nächsten Morgen erwachte Diana, weil im Haus eine ungewöhnliche Aufregung herrschte. Als Biddy ihr ihre morgendliche Tasse Schokolade brachte, platzte sie fast vor Neuigkeiten.
»Der Doktor ist hier - die Mistreß ist gestürzt!«
»O nein!« Diana warf die Decke zurück und kleidete sich rasch an. Prudence lag auf der Couch im Wohnzimmer und der Doktor stand über sie gebeugt.
»Was ist passiert?« fragte Diana aufrichtig besorgt, als sie den schmerzverzerrten Gesichtsausdruck ihrer Tante sah.
»Ich war so außer mir wegen unseres gestrigen Streits, daß ich auf der Treppe ausgerutscht bin.« Sie durchbohrte Diana mit einem verdammenden Blick.
»Das tut mir leid«, murmelte Diana bedrückt.
»Sie hatten großes Glück«, verkündete der Doktor. »Tatsächlich hätten Sie sich sämtliche Knochen brechen können. Vielleicht hätten Sie nie wieder gehen können.«
Prudence bedeckte ihre Augen angesichts dieser unausdenkbaren Katastrophe.
»Auch wenn Sie sich nichts gebrochen haben, eine arthritische Hüfte ist ein schweres Kreuz. Ich empfehle Ihnen Mineralbäder zur Heilung. Ein tägliches Bad wirkt Wunder, Sie werden es sehen, Madame Davenport. Es gibt keine andere Linderung für Ihre Leiden.«
»Welch eine Ironie«, verkündete Prudence pathetisch. »Ich bat Lady Diana erst kürzlich inständig um einen vierwöchigen Aufenthalt in Bath, aber sie lehnte rundweg ab.«
Der Arzt runzelte erzürnt die Stirn; er strich nachdrücklich über seine langen Koteletten. »Heilwasser wirkt wahre Wunder. Extern angewandt ist es ein Antiseptikum und Antirheumatikum; intern wirkt es entkrampfend und als Gallentonikum. Ich bin sicher, Lady Diana wird ihre voreilige Entscheidung nochmals überdenken.« Der Doktor bedeutete ihr daraufhin zu gehen. »Ich hätte gerne noch mit meiner Patientin allein gesprochen.«
»Hat irgend jemand gesehen oder gehört, wie sie gestürzt ist?« fragte Diana mißtrauisch, als sie mit Biddy den Raum verließ.
Die Zofe schüttelte den Kopf. »Sie hat mich geschickt, um den Doktor zu holen, aber da hatte sie sich bereits wieder hochgerappelt.«
Diana seufzte. Es war gut und schön zu beschließen, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Theoretisch. Die Wirklichkeit sah indessen ganz anders aus. Sie wusste , daß Prudence sie wie eine Marionette manipulierte, aber es gab nichts, gar nichts, das sie dagegen hätte
Weitere Kostenlose Bücher