Sinnliche Maskerade
sie bald zurück?«
»Ich weiß auch nicht mehr als du, Jasper.« Peregrine nippte an seinem Sherry. »Sebastian berichtet nur unzuverlässig von seiner Reise. Ich warte auch dringend auf Nachrichten.«
»Schließlich haben sie drei Jahre lang Trümmer zwischen sich aufgehäuft, die sie aus dem Weg räumen mussten«, sagte Jasper und stellte den Fuß ungeduldig auf den Kaminbock. »Wir dürfen ihnen die paar Monate nicht missgönnen.«
»Nein, ganz bestimmt nicht«, erwiderte Perry, »aber ich gestehe, dass ich sie beide vermisse. Ja, natürlich Seb, aber auch Serena habe ich ins Herz geschlossen, nachdem ich sie erst einmal richtig kennengelernt habe.«
»Wir hatten beide unsere Vorurteile«, stimmte sein Bruder zu. Abrupt riss er die halb geschlossenen schwarzen Augen auf und richtete den Blick eindringlich auf Perry. »Aber nun erzähl mir mehr von deiner geheimnisvollen Theaterbegleiterin.«
»Geht leider nicht«, erklärte Perry schlicht, »schließlich weiß ich selbst nichts. Oh, ich weiß natürlich, dass sie gebildet ist. Beim Schach kann ich zum Beispiel nicht gegen sie gewinnen, sie kann sich mit Maskelyne über Astronomie unterhalten, und sie reitet wie ein weiblicher Gentleman. Aber ich weiß auch, dass sie die Welt auf geradezu unglaubliche Weise hinters Licht führt, und das aus Gründen, die höchstwahrscheinlich kriminell sind. Und ich liebe sie. Hoffnungslos und hilflos.« Schulterzuckend leerte er sein Glas. »Ist deine Frage damit beantwortet, Jasper?«
»Das wirft nur jede Menge weiterer Fragen auf«, gab der Earl zurück. »Erwidert sie deine Gefühle?«
»Ich glaube schon. Aber sie hat ihre Gründe, es mir nicht zu sagen.« Perry erhob sich, reckte und räkelte sich in alle Richtungen. »Niemals hätte ich es für möglich gehalten, mich in einer solchen Zwickmühle wiederzufinden, Jasper. Es ist die Hölle.«
»Und wie willst du das ändern?«
»Durch Beharrlichkeit. Einfach durch Beharrlichkeit.« Peregrine ging zur Tür. »Ich muss los. Bin zur Debatte einer Neuübersetzung von Homers Odyssee verabredet. Es verspricht, lebhaft zu werden.«
»Ich bin überzeugt, dass du nicht enttäuscht wirst«, murmelte Jasper, »und genieße den Garrick heute Abend. Wahrscheinlich ist er wieder fantastisch. Clarissa hat ihn neulich abends gesehen, als ich an einer Debatte im Oberhaus teilgenommen habe.«
»Ich freue mich auf einen schönen Abend.« Zum Abschied hob Perry die Hand und ließ seinen Bruder, der sich noch kurz ausruhen wollte, allein in der Bibliothek zurück.
Mit ein paar gleichgesinnten Gelehrten, die sich auf Homer verstanden, verbrachte Perry einen angenehmen Nachmittag im White’s Coffee House, bevor er in die Stratton Street zurückkehrte, sich umkleidete, allein aß und dann aufbrach, um Alexandra zum Theater abzuholen.
Nachdem Alexandra wieder einigermaßen mit sich versöhnt war, stieg sie zur weiteren Erforschung der längst verschmähten Garderobe ihrer Mutter hinauf auf den Dachboden. Sie fand ein langes, französisches Kleid in pinkfarbener Seide, das im blassesten Apfelgrün mit einem bezaubernden Muster aus kleinen Zweigen bestickt war. Dunkelgrüner Samt umrandete die Ärmel an den Ellbogen, sodass die Kaskade aus Spitze ihr an die Handgelenke fiel. Das Dekollete war tiefer, als sie es je getragen hatte; darüber hinaus besaß dieses Kleid kein Tuch. Allerdings bin ich auch keine jungfräuliche Debütantin mehr, dachte Alex und kicherte verschmitzt. Wenn ihr gerade der Sinn danach stand, konnte sie ihre Brüste auch zeigen. Kurz darauf fand sie einen zarten Perlmuttfächer und pinkfarbene Slipper mit schmalem Absatz. Schmuck gab es in den Kommoden auf dem Dachboden nicht, was sie aber auch nicht anders erwartet hatte. Falls ihre Mutter überhaupt welchen zurückgelassen hatte, würde ihr Vater ihn behalten haben. Allerdings glaubte Alexandra nicht, dass ihre Mutter Wertsachen im Hause vergessen hatte. So flatterhaft Luisa auch erscheinen mochte, wenn es zu ihrem Vorteil war, hatte sie ein kluges Köpfchen, das sie auch einzusetzen verstand.
Noch etwas, dachte Alexandra, während sie sich im Spiegel betrachtete, was ich von meiner Mutter geerbt habe. Ihre Ähnlichkeit mit Luisa war an diesem Abend genauso bestechend wie zuvor. Alex glaubte zwar, dass ihr Dekollete, soweit sie sich erinnerte, nicht so umwerfend war wie das ihrer Mutter, aber wenn sie Seite an Seite stehen würden, würde jeder sie als Mutter und Tochter erkennen.
Ohne große Hoffnung auf ein
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