Sinnliche Maskerade
ihrer Empörung Luft machen konnte, schüttelte Alex heftig den Kopf. »Ich möchte mich auf keinen Fall aufdrängen. Wirklich, ich freue mich sehr darauf, oben auf der Klippe spazieren zu gehen, wenn mir nach frischer Luft zumute ist.«
»Ja, so sehe ich es auch«, stimmte Sir Stephen sichtlich erleichtert zu und stellte fest, dass die Wangen seiner Frau sich in ein alarmierendes Rot gefärbt hatten. »Aber sollten Sie jemals das Bedürfnis nach einem Ausritt verspüren, Mistress Hathaway, in meinem Stall steht eine alte Stute, die hin und wieder ein wenig bewegt werden muss, wie mein Stallmeister Jackson mir neulich erzählt hat. Das Tier ist wie geschaffen für Sie, hat einen hübschen breiten Rücken und eine weiche Gangart. Sie können mit ihr ausreiten, wann immer Ihnen der Sinn danach steht. Ich werde Jackson Bescheid sagen. Er wird Ihnen einen erfahrenen Stallburschen zur Seite stellen.«
»Überaus freundlich, Sir Stephen«, murmelte Alex mit gesenktem Blick.
Allerdings erst, nachdem Peregrine gesehen hatte, welches Entsetzen bei Sir Stephens Beschreibung der Stute und seinem Angebot einer Führungshand ihr über das Gesicht gehuscht war.
Still lächelte er in sich hinein. Mistress Hathaway hatte genau das gleiche Interesse an einem Ausritt auf einer lahmen, ältlichen Stute mit breitem Rücken wie er. Wo also hatte sie reiten gelernt? Eine Kindheit als Bücherwurm in einer verarmten Pfarrei auf dem Lande hatte ihr wohl kaum Zugang zu guten Pferden verschaffen können.
»Ladys«, die immer noch rotwangige Lady Maude erhob sich abrupt, »wir sollten uns zurückziehen.«
Erleichtert folgte Alexandra ihr aus dem Esszimmer, warf einen sehnsüchtigen Blick zur Treppe und fragte sich gerade, ob sie wohl diskret würde verschwinden können.
»Sie müssen für uns spielen«, befahl Lady Maude mit scharfer Stimme.
Das Musizieren im Salon nach dem Dinner und der vierte Platz am Whisttisch waren die zwei Aufgaben, die ihr im Laufe der Zeit zugefallen waren. Alexandra sah keinen Weg, der einen oder anderen zu entgehen, ohne ihre Dienstherren ernsthaft zu beleidigen und ihre Stellung noch unbequemer zu machen. Und Lady Maude sollte sie heute lieber nicht noch einmal widersprechen.
»Selbstverständlich, Ma’am.« Sie deutete einen unterwürfigen Knicks an und folgte den Ladys in den Salon, wo sie ihren Platz am Pianoforte einnahm.
Am Klavier hielt sie sich höchstens für durchschnittlich, aber Lady Maude und ihre Gesellschaft schienen keine Klagen zu haben. Falls sie überhaupt zuhören, dachte sie mit säuerlichem Lächeln. Sie entschied sich für ein Präludium von Bach, das den Ladys einen angenehmen Hintergrund für ihre Plaudereien bieten würde. Aber nach fünf Minuten rief Lady Maude aus:
»Ein lebhafteres Stück wäre uns lieber, Mistress Hathaway.
Vielleicht eine französische Volksweise oder ein ländlicher Tanz. Diese Musik ist so trübsinnig.«
Ohne eine Miene zu verziehen, schob Alex ihre Noten zur Seite und bog die Finger durch.
»Haben Sie Noten? Darf ich die Seiten für Sie umblättern?«
Sie schaute auf, einmal mehr erschrocken über Peregrines stilles Auftreten. Mit einem raschen Blick durch den Salon überzeugte sie sich, dass er als einer der ersten Gentlemen seinen Port stehen gelassen hatten.
»Nicht notwendig, Sir. Ich kann die Noten auswendig.« Als sie zu spielen begann, war sie sich des Mannes, der mit einer Teetasse an ihrer Schulter stand, nur zu bewusst - sie konnte seinen Blick spüren, die langen, weichen Konturen seines Körpers, als er sich noch näher zu ihr lehnte. Angesichts seiner körperlichen Gegenwart war jede Faser ihres Körpers plötzlich kraftvoll angespannt, so sehr, dass sie beinahe nach Luft schnappen musste.
Ihre Finger rutschten auf den Tasten aus. Sie brach ab und presste die Fingerspitzen gegen die Schläfen.
»Wollen Sie nicht weiterspielen?«, fragte er ruhig.
Kopfschüttelnd betrachtete sie die schwarzweiße Tastatur.
»Nein, warum auch. Es hört ja doch niemand zu.«
»Doch, ich.«
»Zu freundlich, Sir.« Ihre Stimme klang wie aus weiter Ferne, als sie sich erhob. »Aber ich bin überzeugt, dass Sie schon viel besseres Spiel gehört haben.«
»Mag sein.« Warum sollte er es leugnen? Sie würde ihm ja doch nicht glauben, und an Schmeicheleien war sie eindeutig nicht interessiert.
»Wer ist für Karten?« Sir Stephen roch nach Port, als er her-einkam. Seine beschwipsten Gäste versammelten sich hinter ihm. »Was machen wir, Gentlemen? Bassett,
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