Sinnliche Maskerade
seine Niederlage schließlich akzeptierte. Und ein paar Sekunden lang hatte er auch geglaubt, dass er kurz vor dem Durchbruch stünde; aber inzwischen hatte sie sich wieder zurückgezogen, und er spürte genau, dass jeder weitere Versuch sinnlos wäre. Später, an einem anderen Tag, würde er den Kampf wieder aufnehmen.
»Ja, so ist es wohl, Ma’am.« Er machte auf dem Absatz kehrt und eilte zu der Gruppe hinüber, die sich um Marcus versammelt hatte, und überließ Alex ihrem einsamen Schweigen.
Als das Dinner angekündigt wurde, erhielt Perry die Anweisung, Lady Maude zu Tisch zu führen. Alexandra blieb nichts anderes übrig, als sich mit einem unreifen Milchbart, der an Schüchternheit im Endstadium litt, ganz ans Ende der Truppe zu gesellen — was ihr recht gut passte.
Sie hatte die feste Absicht, den jungen Mann aus der Reserve zu locken und dafür zu sorgen, dass er sich ein wenig behaglicher fühlte. Der Mann allerdings war zu nervös, um in seiner Tischnachbarin etwas anderes zu erkennen als nur eine zwar freundliche, aber doch verstaubte Jungfer, die gewillt war, ihn in ein Gespräch über sein Leben in Oxford zu verstricken, in dem er Geschichten von Eskapaden mit seinen Kommilitonen zum Besten gab, ohne dass er sich entweder zu dumm oder zu jung für erwachsene Gesellschaft fühlte.
Sogar Henry Dearborn hält mich offenbar für eine betuliche alte Tante, dachte Alex wehmütig. Es war eine Sache, dass sie ihre Rolle erfolgreich spielte; aber es war eine ganz andere, sich in den Augen eines jungen Mannes gespiegelt zu sehen. Ihrer Selbstachtung tat sie mit dieser Scharade eindeutig keinen Gefallen.
»Nun, Mistress Hathaway, reiten Sie eigentlich gern?«
Die Frage traf sie so unerwartet, dass sie erschrak. Gegen jede Etikette hatte der Honorable Peregrine quer über den Tisch hinweg das Wort an sie gerichtet. Aber sie nahm an, dass er, anders als andere Gäste, damit durchkommen würde.
»Wir überlegen, ob wir morgen nach Durdle Door ausreiten sollen«, er lächelte unverhohlen, »ich habe gehört, dass es sich um die berühmteste Felsformation in dieser Gegend handeln soll. Und ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht gern reiten. Vorhin hatten Sie doch erwähnt, wie wichtig es Ihnen ist, sich durch regelmäßige Bewegung an der frischen Luft Ihren Geist gesund zu erhalten.« Eine leise Stimme in seinem Innern - wirklich nur eine leise Stimme - bedauerte es, dass er dem Impuls nachgegeben hatte, sie ins Rampenlicht zu zerren.
»Reiten?« Alexandra hatte es kalt erwischt, insbesondere auch deshalb, weil ihr klar wurde, dass sie die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich gelenkt hatte. Verdammter Peregrine Sullivan. Quer über den Tisch warf sie ihm einen flammenden Blick zu.
»Natürlich reitet Mistress Hathaway nicht«, verkündete Lady Maude am unteren Ende des Tisches, »ich bin überzeugt, dass sie niemals gelernt hat, im Sattel zu sitzen. Und falls doch, habe ich meine Zweifel, dass es ihr leichtfällt, denn es ist doch eine gewisse Haltung erforderlich.«
Der gehässige Hinweis auf ihren Buckel raubte Alexandra den Atem. Kaum auszudenken, welche Gefühle in ihr aufschießen würden, wenn es sich um eine echte Verkrümmung gehandelt hätte und nicht um ein strategisch platziertes Kissen zwischen ihren Schulterblättern. Wie konnte diese Frau nur so unsensibel sein, so blindlings bösartig? Selbst wenn Lady Maude auf ihre Kosten kommen wollte, weil sie nachmittags daran gescheitert war, Alexandra ins Schulzimmer zu befehlen, war ihr Racheakt doch immer noch höchst unangemessen.
Sie war sprachlos, bis Peregrine schließlich fortfuhr, ohne Lady Maudes Worten die geringste Beachtung zu schenken.
»Nun, Mistress Hathaway, was sagen Sie?«
Inzwischen war sie wütend genug für eine Antwort.
»Sir, hätte ich nur ein Pferd, wäre ich entzückt. Ich bin immer ausgesprochen gern geritten.«
»Oh, ich bin sicher, dass wir ein passendes Pferd für Sie fin-den«, verkündete Peregrine. »Sir Stephen, in Ihren Ställen haben Sie doch bestimmt etwas für Mistress Hathaway?«
Sir Stephen zögerte verblüfft; aber Marcus, den Lady Maudes Beleidigung ebenso erschüttert hatte wie Perry, mischte sich ein.
»Oh, komm schon, Stephen. Du hast doch den Stall voller Pferde, die dir die Haare vom Kopf fressen. Lady Maude reitet nicht oft. Dabei hat sie den hübschesten Apfelschimmel stehen, der sich danach sehnt, sie mal ordentlich durchzurütteln.«
»Nein ... nein. Bitte.« Noch bevor Lady Maude
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