Sinnliche Maskerade
Weg, sich Gerechtigkeit zu verschaffen und ihre Zukunft zu sichern.
Am Ende hatte Sylvia akzeptiert, dass ihr nicht mehr zu tun blieb, als ihrer Schwester zu helfen, ihre Rolle möglichst perfekt zu spielen und sie reisen zu lassen. Stundenlang hatten sie geprobt, bis Alex ihre Geschichte in- und auswendig aufsagen und niemand ihre Verkleidung durchschauen konnte.
Hatten sie zumindest gedacht.
Sylvia schlug die Decke über ihren Knien fort und stand auf. Was war falsch gelaufen? Ihre Hauptstütze hatte bis jetzt darin gelegen, zu wissen, dass Alex solche Scharaden tadellos spielen konnte. Als Kinder hatten sie so viel Theater gespielt, und ganz besonders Alex hatte im Verkleidungsfach immer geglänzt, hatte sich in ganz unterschiedliche Rollen begeben - sowohl körperlich als auch geistig. Wie hatte es passieren können, dass es ihr diesmal entglitten war?
Plötzlich zitterte Sylvia. Die Luft wurde frostig, als die Sonne hinter den Bäumen versank. Kopfschüttelnd machte sie sich auf den Rückweg zum Haus. Schon bald würde Alex eintreffen. Und dann würde sie alles erfahren.
»Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie für eine einfache Bedienstete das Geld für eine Postkutsche ausgeben müssen«, brummte Lady Maude in der Halle ihren Mann an. Der Morgen dämmerte gerade, die Kutsche stand bereits vor der Tür. Kutscher und Postillion hielten die Pferde fest.
Sir Stephen seufzte.
»Ich habe es Ihnen doch schon erklärt, Ma’am. Die Bücher sind zu wertvoll, um sie einer öffentlichen Kutsche anvertrauen zu können.«
Lady Maude rümpfte die Nase.
»Das mag wohl so sein. Aber ich halte die Ausgabe trotzdem für unnötig. Warum schicken Sie die Frau mit den Büchern nicht in der alten Kutsche nach London? Wir hätten unsere Burschen und den zweiten Kutscher mitreisen lassen können.«
»Auch darüber habe ich nachgedacht, Ma’am. Aber der zweite Kutscher ist recht ungeschickt mit dem sperrigen Gefährt. Und ich war mir sicher, dass Sie in Ihrem Landauer auf Benjamins Dienste nicht verzichten wollen. Außerdem muss die Vorderachse der Kutsche repariert werden. Falls sie auf der Straße zerbrochen wäre, wären die Kosten noch höher gewesen als bei der Postkutsche mit Postillion.« Sir Stephen klang ungeduldig. Die Kosten machten ihn genauso unglücklich wie seine Frau, aber die Alternativen hatten noch weniger gepasst.
»Übrigens«, fügte er hinzu, »könnten wir mit dem Gewinn, den Mistress Hathaway aus dem Verkauf der Bücher erzielt, eine ganze Flotte von Mietkutschen finanzieren ... und wir haben ja noch Mr. Sullivan, der gerade rechtzeitig seine Hilfe angeboten hat.« Er ging zum Eingang und begrüßte Peregrine, der auf seinem großen Grauen angeritten kam und den Hut zog.
»Sir Stephen. Wirklich ein schöner Morgen, finden Sie nicht?«
»Wie geschaffen für die Reise.« Sir Stephen lächelte leutselig. »Es ist außerordentlich freundlich von Ihnen, lieber Freund, dass Sie die Bücher aufmerksam im Auge behalten wollen. Ich habe keine Minute Ruhe, bis sie schließlich im Hause der Douglas unter Schloss und Riegel sind.«
»Im Hause der Douglas?« Fragend hob Peregrine eine Braue hoch. »Ich hatte es so verstanden, dass Mistress Hathaway im Hotel bleiben sollte.«
»Nein, nein ... das wäre eine unnötige Ausgabe«, sagte Sir Stephen. »Wie meine liebe Frau bereits erklärt hat, ist das gesamte
Mobiliar im Haus mit Staubhussen überzogen, und die Dienerschaft wird schier verrückt, weil sie nichts zu tun hat. Die Leute können ein oder zwei Zimmer und einen Salon für Mistress Hathaway vorbereiten. Das ist viel besser.«
Peregrine konnte sich den staubigen, frostigen Empfang, der in diesem verschlossenen Mausoleum am Berkeley Square auf Mistress Hathaway wartete, bestens vorstellen, und senkte kaum merklich den Kopf.
»Ist die Lady reisefertig?«
»Oh, sie überwacht die letzte Verpackung der Bücher. Es ist sehr wichtig, dass die Werke auf der Reise vor Licht und Staub geschützt werden.« Sir Stephen drehte sich zur Tür. »John, haben Sie Mistress Hathaways Handkoffer schon befestigt?«
»Auf dem Dach, Sir.«
»Gut. Dann gehen Sie rein und erkundigen Sie sich, ob Mistress Hathaway zur Abreise bereit ist.«
»Sir.« Mit einer Verbeugung verschwand der Mann in der Halle.
Mit kritischem Blick beobachtete Alexandra, wie der letzte Nagel in eine Teekiste geschlagen wurde, in der ihre Auswahl Bücher verstaut war. Sosehr ihr diese Aktion auch verhasst war, sie würde sich bei Sir Stephen
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