Sinnliche Stunden mit dem Fremden (Baccara) (German Edition)
unverfänglich ein paar Fragen.“
„Du willst ernsthaft, dass ich mich an eine ahnungslose Frau ranmache, nur um an Informationen zu gelangen?“
„Ich komme aus schwierigen Verhältnissen, ich hab’s nicht so mit der Moral“, erwiderte Lucas grinsend.
„Ich auch nicht, und trotzdem kenne ich Grenzen. Ich versuch es lieber mit einem Anwalt.“
Die Ranch der Jacobs lag im Lyndon-Tal im Westen Colorados und erstreckte sich über Tausende Morgen Land. Schon Abigails Großvater hatte angefangen, Land hinzuzukaufen, und je größer die Ranch geworden war, desto umfangreicher war auch der Grundbesitz geworden. Das gewaltige Haupthaus war zweistöckig und lag zwischen Lyndon River und den Rocky Mountains, umgeben von drei Ställen, mehreren Viehpferchen und einer gewaltigen Scheune.
Am Flussufer standen noch einige Gesindehäuser und zwei flache Schlafbaracken für die Hilfsarbeiter um ein großes Küchengebäude herum, in dem Cowboys und Helfer zu jeder Tages- und Nachtzeit Essen und Kaffee bekamen. Abigail wusste, dass die Ranch nicht nur schön, sondern auch ein guter Ort zum Leben war. Doch im Augenblick musste sie sich jeden Tag aufs Neue vor Augen führen, dass es möglich war, hier ein glückliches Leben zu führen.
Sie stieg die Vortreppe hinauf. Der Sonne brannte vom Augusthimmel herunter. Abigails T-Shirt klebte ihr am Körper, und ihr Haar unter dem Stetson war verschwitzt. Auf dem Weg über die Veranda hörte sie Männerstimmen durch die offenen Wohnzimmertüren dringen, untermalt vom Summen der Fliegen, die sich unter dem Vordach tummelten. Abigail klopfte sich den Staub von der Jeans und nahm den Hut ab. Dann trat sie ein paar Mal fest auf, um den Dreck unter ihren Stiefeln loszuwerden. Die Stimmen im Inneren des Hauses wurden lauter. Jetzt konnte sie deutlich hören, wie ihr Bruder Travis sprach. Auch die andere Stimme kam ihr irgendwie bekannt vor, aber sie konnte sie nicht einordnen.
„Und Sie bilden sich ernsthaft ein, dass wir Ihnen helfen?“, fragte Travis herausfordernd.
„Ich hätte Sie auch belügen können“, antwortete der andere Mann beruhigend. „Aber es ist doch in unser beider Interesse, wenn …“
„Denken Sie wirklich, es beeindruckt mich, dass Sie endlich aufgehört haben, mich zu belügen?“
„Ich hatte nicht vor, Sie zu beeindrucken.“
Abigail war neugierig geworden, mit wem ihr Bruder da sprach, und näherte sich der Tür. In der Woche seit ihrer Rückkehr auf die Ranch waren täglich Nachbarn und Freunde vorbeigeschneit, um ihre Glückwünsche über Seths Wahlsieg auszusprechen und sich nach Abigails Vater zu erkundigen, der in den nächsten Wochen aus dem Reha-Zentrum in Houston zurückkehren sollte.
„Gut für Sie“, merkte Travis grimmig an.
„Ich brauche nur ein paar Informationen, und dann verschwinde ich wieder.“
„Sie verschwinden jetzt .“
„Erst wenn ich mit Abigail gesprochen habe.“
Abigail erstarrte mitten in der Bewegung. Wer war dieser Mann?
„Abigail ist nicht hier.“
„Dann warte ich eben.“
„Das tun Sie nicht.“
Wer auch immer der Fremde war – die Unterhaltung würde ziemlich kurz ausfallen. Abigail war todmüde und freute sich auf eine heiße Dusche und ihr Bett. Der Tag draußen auf den Haferfeldern war anstrengend gewesen.
„Wenn Sie mit Abigail reden wollen, müssen Sie erst an mir vorbei“, stieß Travis wütend hervor.
Abigail konnte sich genau vorstellen, wie sich ihr Bruder gerade vor dem Besucher aufbaute. Travis war alles in allem ein liebenswerter Kerl, aber wenn er es für nötig hielt, legte er einen bemerkenswerten Beschützerinstinkt an den Tag.
Lautlos öffnete Abigail die Tür. Die Stimme des Unbekannten drang aus dem großen Wohnzimmer, das um die Ecke lag.
„Aber der erhöhte Verbrauch von Craig Mountain macht für Sie doch überhaupt keinen Unterschied!“
„Wenn wir Ihrem Antrag stattgeben, haben wir einen Präzedenzfall, wie er im Buche steht“, antwortete Travis. „Sie sind sozusagen das Zünglein an der Waage.“
„Ich braue Bier. Präzedenzfälle interessieren mich nicht. Es geht doch nur um eine kleine unterirdische Quelle!“
„Die trotzdem Teil des Grundwassers ist.“
Abigail hängte ihren Hut an einen Haken neben der Haustür und schob sich ihr feuchtes, staubiges Haar zurück. So unordentlich, wie ihr Pferdeschwanz war, sollte sie sich besser nicht einem Besucher präsentieren. Und ihre schmutzigen Hände und verschwitzten Klamotten waren auch nicht besser. Aber sie lebte
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