Sinnliche Traeume auf Kyrene
töten, als sich lebend ergreifen zu lassen.“
„Er hatte zwei Kinder?“, warf Yates ein.
Ruddock nickte. „Einen Jungen und ein Mädchen. Fast zwei Tage lang griffen wir nicht ein. Doch dann versuchte seine Frau zu fliehen, und er tötete sie. Es gelang uns, ihn zu erschießen und die Kinder zu retten.“
„Wie alt waren die Kinder damals?“, fragte Thorne.
„Das kann ich nicht genau sagen. Der Junge war vielleicht zwölf, das Mädchen ein paar Jahre jünger, ungefähr sieben oder acht. Der Name des Jungen war Thomas. Ich erinnere mich lebhaft an ihn. Er war bedeckt mit dem Blut seiner Eltern. Er gab uns nicht nur die Schuld an allem, in seinem Hass gegen uns war er wie ein tollwütiges Tier. Er weinte, spuckte Gift und Galle, nannte uns Mörder, während er versuchte, uns die Gesichter zu zerkratzen. Es brauchte drei Soldaten, um ihn festzuhalten.“
Thome konnte sich die brutale Szene vorstellen, welche die beiden Kinder hatten mit ansehen müssen. Thomas und Venus.
„Ich erinnere mich auch deshalb so gut“, fügte Ruddock grimmig hinzu, „weil Sir Gawain selbst verwundet wurde - ins Bein geschossen von diesem rachsüchtigen Jungen.“
Selbst nach zwanzig Jahren hinkte der Baronet noch immer. „Und was geschah dann?“, fragte Thorne.
„Der Besitz Forresters wurde von der Krone eingezogen. Doch wir sorgten dafür, dass die Kinder in anständige Arbeitshäuser gebracht wurden.“
„Und das haben sie Ihnen nie verziehen“, murmelte Thorne leise vor sich hin.
Ein achtjähriges Mädchen war vielleicht zu jung gewesen, um wirklich zu verstehen, was geschehen war, aber der Junge hatte das Ganze aus seinem Blickwinkel gesehen: Die Wächter waren Mörder, sein verräterischer Vater aber war in seinen Augen ein Heiliger. Doch beide Kinder erlitten den Schock, die Eltern und ihr privilegiertes Leben auf einen Schlag zu verlieren. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sie den Wächtern - und Sir Gawain im Besonderen - die Schuld am Untergang ihrer Welt gäben.
Thorne zweifelte nun kaum mehr daran, dass Venus auf Rache aus war gegen die Wächter.
Yates riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. „Wie werden wir also vorgehen? Wir brauchen noch mehr Beweise gegen Madame Venus, nicht wahr?“
„Das brauchen wir.“ Ein düsterer Zug lag um Thornes Mund. „Ich denke, jetzt ist es Zeit für einen Gegenbesuch in Sussex.“
Obwohl er Diana gerade zu diesem kritischen Zeitpunkt nur ungern verließ, schrieb er ihr in einem kurzen Brief, dass er bedauerlicherweise aus beruflichen Gründen für einige Tage die Stadt verlassen müsse. Dann brachen er und Yates früh am nächsten Morgen nach Sussex auf.
Zuerst wollte Thorne den früheren Besitz Forresters besuchen. Danach hatte er vor, den Friedensrichter des Distrikts aufzusuchen, um herauszufinden, ob man dort etwas über Josiahs verwaiste Kinder und ihre eventuellen Beziehungen zu lokalen Schmugglern wusste. Wenn Thomas und Venus-Madeline im letzten Sommer tatsächlich Kontakt zu französischen Spionen
gehabt hatten, bestand vielleicht irgendeine Verbindung zu ihrer Vergangenheit in Sussex.
Zu Thornes Befriedigung brachten beide Besuche etwas Licht in die Angelegenheit.
Nachdem sie in Eastbourne angekommen waren, mieteten Yates und er Zimmer im größten Gasthaus am Ort und begannen sofort mit ihren Ermittlungen. Ihr erster Besuch galt der Kirche, wo man über alle Geschehnisse in der Umgebung sorgfältig Buch führte. Doch sie brauchten gar nicht die Annalen der Kirche zu durchforsten, denn der junge Vikar war durchaus vertraut mit den Ereignissen, auch wenn sie vor seiner Zeit stattgefunden hatten.
Nachdem die Krone den Besitz Forresters konfisziert hatte, verkaufte sie ihn an einen Nachbarn von ihm. Doch nach ungefähr zehn Jahren war Thomas Forrester nach Eastbourne zurückgekehrt und hatte das Heim seiner Kindheit für sich und seine Schwester Madeline zurückgekauft. Jetzt, nach dem traurigen Tod ihres Bruders bei dem Londoner Brand im letzten Herbst, gehörte der Besitz Madeline Forrester.
Als Thorne und Yates zu dem Landsitz hinausfuhren, fanden sie das Herrschaftshaus in gutem Zustand, aber mit nur wenigen Dienern vor. Jedoch beantwortete der Butler bereitwillig ihre Fragen. Er sagte, dass seine Herrin nur selten hierher käme, sie aber dafür, dass sie das Haus instand hielten, gut bezahle.
Bis zum nächsten Morgen mussten sie warten, bis der Friedensrichter, Squire Whickers, Zeit hatte, sie zu empfangen. Er entpuppte sich als eine wahre
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