Sinnliche Versuchung in Italien
mehr der Lucca, den sie bisher kennengelernt hatte, sondern ein Mann auf einem Eroberungsfeldzug. Einer, den sie nicht unterschätzen durfte, nur weil er seine Einschränkung zugab. Vor ihm musste sie sich besonders in Acht nehmen, weil er es verstand, sie für sich einzunehmen.
„So hat mich noch nie jemand genannt. Aber ihr Italiener seid ja bekannt für euren umwerfenden Charme“, stellte sie fest und holte die Tortenstücke aus dem Karton. „Hier, das ist für dich.“
„Es ist eine Ewigkeit her, dass ich eine tarta caprese gegessen habe. Man bekommt sie nicht überall.“
„Wann warst du zuletzt hier?“
„Vor ungefähr acht Jahren.“
„Hm“, sagte sie, nachdem sie einen Bissen probiert hatte. „Schokolade mit Mandelgeschmack. Der Teig ist so cremig, dass er auf der Zunge zergeht. Schade, ich hätte für jeden von uns zwei Stücke kaufen sollen.“
Er lehnte sich zurück. „Ich bin aber rundum zufrieden“, meinte er. „Als ich vorgestern Nacht den Hügel hochgekrochen bin, hätte ich nicht davon zu träumen gewagt, dass ich heute noch lebe, geschweige denn auf dem Rücksitz eines Autos mit einer Krankenschwester sitze und mir ein Stück tarta caprese schmecken lasse.“
Darauf wollte sie lieber nicht weiter eingehen. Allein schon deswegen nicht, damit gar nicht erst Missverständnisse zwischen ihnen aufkamen. „An so eine Nacht, in der ich dachte, ich würde sie nicht überstehen, kann ich mich auch gut erinnern.“
Er sah sie neugierig an.
„Eine meiner Kolleginnen, mit der ich mir gelegentlich Schichten teilte, erzählte mir, dass mein Mann eine Affäre mit einer Schwester habe, mit der ich befreundet war.“
Lucca zog die Luft hörbar ein. „Wann ist das geschehen?“
„Vor zwei Jahren. Doch wie du siehst, gibt es mich noch. Damals hätte ich allerdings keinen Pfifferling dafür gegeben, dass ich einmal vor so einer Landschaftskulisse mit einem italienischen Kampfjetpiloten tarta caprese essen würde.“ Sie machte die Tür auf, stieg schnell aus, um sich dann wieder ans Steuer zu setzen.
„Ich hoffe, du weißt, dass dein Mann dich nicht verdient hatte.“
„Meine Liebe zu Ryan ist erloschen. Ich bin nur noch enttäuscht.“
„Wie lange wart ihr denn verheiratet?“
„Eineinhalb Jahre.“ Mehr wollte sie nicht erzählen. Lucca hatte ganz andere Sorgen, als sich das banale Ende ihrer kurzen Ehe anzuhören.
„Ich kenne eine kluge Krankenschwester, die mir gestern erklärt hat, dass jemand, der Schlimmes durchgemacht hat, sich einem anderen Menschen anvertrauen muss, um darüber hinwegzukommen“, sagte Lucca. „Auch du hast etwas Traumatisches erlebt, Annabelle. War das die Zeit, auf die mein Vater in dem Telefongespräch angespielt hat?“
Sie startete den Motor. „Ja.“
„Hast du andere um Hilfe gebeten?“
Sie wartete mit der Antwort, bis sie die Hauptstraße erreicht hatten. „Nein. Ich habe gekündigt und die Scheidung eingereicht. Danach bin ich nach Los Angeles gezogen und habe dort in einem Krankenhaus Arbeit gefunden.“
„Und nun hast du mit diesem Mel Jardine zu tun?“
„Ja, ich habe ihn in L. A. getroffen.“
„Wo hast du vorher gewohnt?“
„In Fullerton. Das liegt in der Nähe von L. A., wo auch meine Familie lebt. Mein Mann hat an dem dortigen Krankenhaus seine Facharztausbildung gemacht, und ich wurde im gleichen Hospital zur Krankenschwester ausgebildet.“
Er fluchte auf Italienisch.
„Manchmal braucht man eine radikale Veränderung. Deshalb habe ich zugesagt, als Mel mir den Job anbot. Er war damals ein Patient von mir. Jetzt ist er mein Chef. Ich habe den Wechsel nie bereut, denn seitdem geht es mir besser.“
Plötzlich musste sie bremsen, weil sie von einem anderen Auto in einem waghalsigen Manöver überholt wurden. „Duck dich. Es könnte dich sonst jemand sehen, der dich kennt“, ermahnte sie ihn.
„Auf dem Rücksitz eines Wagens vermutet mich niemand.“
„Dazu allein“, spottete sie. „Ohne Lippenstift am Kragen, aber mit Schokoladenmund.“
„Ich ziehe doch lieber den Kopf ein.“
Annabelle musste lachen.
„Wo wurden die Fotoaufnahmen eigentlich gemacht?“
„Erst in Rom und jetzt an der Küste von Amalfi. Gestern war dein Vater auch dabei.“
Er brütete eine Weile vor sich hin, bevor er ihr die nächste Frage stellte. „Wo hast du ihn kennengelernt?“
„In Mels Autohandlung. Mein Chef verkauft die meisten Amalfis in den Staaten. Vor zwei Monaten kam Guilio zu einem Geschäftsbesuch dorthin.“
Im
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