Sinnliches Erwachen
sprechen“ auf ihrer To-do-Liste. Sie unterstrich es, kreiste es ein und malte Sternchen drum herum.
Ein paar Sekunden später kam Dex hereinspaziert. Das dunkle Haar gekämmt, jede Strähne an ihrem Platz. Seine Augen leuchteten trotz der dunklen Farbe. Heute trug er ein graues Hemd und eine schwarze Stoffhose. Ganz der Geschäftsmann. Sehr attraktiv. Aber hätte er neben Koldo gestanden, wäre er gegen ihn vollkommen verblasst.
Und außerdem hätte er sich vermutlich vor Angst in die Hose gepinkelt.
Hör auf damit. „Hey Dex“, begrüßte Nicola ihn. Jetzt, wo Koldo fort war, trat ihre Eile, hier wegzukommen, wieder in den Vordergrund. Ihre Aufmerksamkeit wanderte zurück zu ihrer Tasche. Aktenmappen ragten oben heraus. „Was kann ich für dich tun?“
„Ich hab gehört, deiner Schwester geht’s viel besser.“
„Nicht ‚viel’, das noch nicht, aber es geht aufwärts.“
Er setzte sich, lehnte sich zurück und verschränkte entspannt die Hände vor dem Bauch. „Das ist doch gut, oder? Dann hast du jetzt bestimmt mehr Freizeit.“
„Eigentlich sogar weniger.“ Jede freie Sekunde würde sie mit Laila verbringen – und eine Stunde am Tag mit Koldo.
Was zum Geier war er bloß?
Um das herauszufinden, brauchte sie einen empfindsamen Geist, hatte er gesagt. Tja, das klang ziemlich kompliziert – also hatte sie aufgegeben und es mit dem Internet versucht. Aber wenn sie nach unsichtbaren Kriegern suchte, die mit Freude heilen konnten, kamen größtenteils bloß Artikel über Soldaten mit posttraumatischer Belastungsstörung zum Vorschein.
„… schon was vor?“
Dex’ Stimme holte sie aus ihren Gedanken. „Entschuldige, wie bitte?“
Fast unmerklich röteten sich seine Wangen. „Ich wollte nur wissen, ob du dieses Wochenende schon was vorhast?“
„Oh. Ja. Ich hab einiges an Papierkram zu erledigen.“ Außerdem war da noch ihr zweiter Job in dem Bio-Supermarkt.
„Okay, aber essen musst du auch.“
Tatsächlich war Essen nicht zwingend notwendig. „Ich hab Laila bei mir, das bedeutet …“
„… dass sie auch ein Date braucht“, fiel er ihr ins Wort. „Die gute Nachricht ist: Ich habe da einen Freund. Du hast bestimmt mitbekommen, dass Blaine und seine Freundin sich vor ein paar Monaten getrennt haben, und auch wenn er mich nach dem Wettrennen gezwungen hat, diese Biowaffen-Grundlage aus dem Kühlschrank runterzuwürgen, mag ich ihn eigentlich ziemlich gern.“
Blaine. Blaine, den Laila unwiderstehlich süß finden würde.
Aber würde Laila fit genug sein, um das Haus zu verlassen? Und wenn ja, könnte Nicola ihrer Schwester tatsächlich die Gelegenheit verwehren, ein bisschen Spaß zu haben, bevor sie … bevor sie … Themawechsel . Was, wenn dieser Spaß zu der notwendigen Freude führte?
Vielleicht spürte Dex, dass sie kurz davorstand, nachzugeben. Mit einem halben Grinsen beugte er sich vor und schrieb etwas auf einen Zettel. „Hier ist meine Nummer. Ruf mich an, wenn du’s dir anders überlegst.“
„Danke“, flüsterte sie.
Er stand auf und ging zur Tür, hielt aber noch kurz inne und sagte: „Du riechst übrigens echt gut.“ Dann machte er sich wieder auf den Weg.
„Bis später, Süßer“, flötete Sirena ihm vom Empfangstisch hinterher.
„Äh, ja, klar“, antwortete Dex sichtlich unbehaglich.
Also … Koldo fand, sie roch furchtbar, und Dex gefiel, wie sie duftete. Wer hatte nun recht?
Koldo der Ehrliche, ohne Frage.
Sie seufzte. Als sie die letzten Sachen zusammensuchte, begann das Telefon zu klingeln.
Es klingelte immer noch, als sie das Büro verließ. Sirena und Jamila standen sich in der Lücke zwischen ihren Schreibtischen Auge in Auge gegenüber, während sie einander anfauchten und -keiften. Hände waren zu Fäusten geballt, Schultern bebten angespannt.
„Ich weiß, was du bist“, zischte Sirena.
„Das kann ich von dir nicht behaupten“, entgegnete Jamila, „aber ich weiß, dass du nichts Gutes im Schilde führst.“
„Willst du das hier überleben? Dann verzieh dich und komm nie wieder her.“
„ Das allerdings kann ich aus vollem Herzen erwidern.“
Offensichtlich kannten die beiden sich schon länger. „Geht da vielleicht mal jemand ran?“, fragte Nicola, die unter dem Gewicht der mitgeschleppten Aktenberge bereits außer Atem geriet.
Die Frauen sprangen auseinander, als hätte sie sie mit einem Brandeisen angestochen.
Sirena warf ihr ein Lächeln zu, aus dem jede Spur von Zorn verschwunden war. „Na klar“, antwortete sie
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