Sinnliches Erwachen
entging erfolgreich jeglichen Spritzern. Mr Ritter und seine Papiere hatten nicht so viel Glück.
„Ich hab Sie was gefragt, Miss Lane.“
Wie konnte ihm entgehen, dass sein Hemd vollkommen durchnässt war? Wie konnte er über seine aufgeweichten Papiere hinwegsehen? Wie war es möglich, dass er diesen … sie rümpfte die Nase … widerwärtigen Gestank nicht wahrnahm? „Es geht ihr, äh, besser. Sie ist jetzt zu Hause.“
„Das ist gut.“ Er senkte den Ton, genau wie seinen Blick, der nun auf ihren Brüsten landete und blieb. „Das ist sehr gut.“
Nicola ballte die Hände zu Fäusten. „War das alles, weshalb Sie mich sehen wollten?“
Es dauerte einen Moment, bis ihm wieder einfiel, dass sie auch ein Gesicht hatte. Dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und faltete die Hände über dem Bauch, während er eine strenge Miene aufsetzte. „Ihre Leistung heute war suboptimal, aber das wissen Sie ja. Sie haben mehrere Kunden aufgebracht, indem Sie Waren doppelt und dreifach gescannt haben …“
„Aber das hab ich jedes Mal korrigiert.“
„Und außerdem“, fuhr er unbeeindruckt fort, „werden Sie mich sicher bald nach Sonderurlaub fragen, um Zeit mit Ihrer Schwester zu verbringen, und wie Sie wissen, haben wir niemanden, der Ihre Schichten übernehmen kann. Dafür werde ich jemand Neues einstellen müssen. Und wenn ich schon jemanden einstelle, warum sollte dieser Jemand nicht gleich alle Ihre Schichten übernehmen?“
Eine Woge der Furcht überrollte sie, dicht gefolgt von dem immer drängenderen Bedürfnis, zu fliehen. Aber warum sollte ich fliehen? fragte sie sich dann. Die Drohung war ausgesprochen, dies war ihre Gelegenheit, etwas zu entgegnen. Also blieb sie weiterhin auf ihrem Stuhl sitzen.
„Ich verspreche, dass ein Tag wie heute nie wieder vorkommen wird.“ Von jetzt an würde sie die Existenz der Affen ignorieren. Das hatten ihr schon damals ihre Therapeuten empfohlen, und es hatte funktioniert. Oder? „Und ich werde Ihnen nicht mit Urlaub kommen, darauf haben Sie mein Wort.“
Der Affe begann, kreischend auf und ab zu hüpfen, und es fiel ihr schwer, Mr Ritters nächste Worte zu verstehen. „Was ist, wenn Ihre Schwester wieder krank wird? Was ist dann? Was, wenn Sie wieder krank werden?“
„Spielt keine Rolle. Ich arbeite trotzdem.“
Er schürzte die Lippen und streckte die Hand aus, um mit der Fingerspitze über das Foto von seiner Frau und seinen drei Kindern zu fahren, das auf seinem Schreibtisch stand. „Wie sehr wollen Sie diesen Job behalten?“
„Sehr“, antwortete sie und beugte sich vor. „Gibt es irgendetwas, das ich tun kann? Mehr Stunden übernehmen? Sagen Sie’s nur, ich tu’s!“
Da ließ er die Hand fallen und grinste sie an.
Der Affe verstummte – und grinste auch.
„Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest“, erklärte er mit einem widerwärtigen Glänzen in den Augen. „Fang doch damit an, dass du mir beschreibst, wie du mich mit deinem Mund verwöhnst, bevor du dich mit gespreizten Beinen über meinen Schreibtisch beugst. Und danach will ich sehen, wie du es tust.“
Einen Moment lang herrschte Stille, während ihr Gehirn verarbeitete, was sie da gerade gehört hatte. Er hatte nicht … Er konnte nicht … Oh, aber er konnte, und er hatte. „Sie müssen mich nicht feuern. Ich kündige.“ Sie stand auf und marschierte zur Tür. Doch der Knauf rührte sich nicht, als sie ihn drehen wollte. In ihren Zorn mischte sich Frustration, als sie blaffte:„Lassen Sie mich raus. Sofort.“
„Ich hab das Schloss ein bisschen umgebaut. Ich hoffe, das stört dich nicht.“ Lächelnd erhob sich Mr Ritter und kam um den Schreibtisch herum. Der Affe hüpfte zu Boden und folgte ihm, seine Krallen klackerten auf dem Boden. „Ich frag mich schon lange, wie du wohl im Bett bist.“
Wieder versuchte sie, den Türknauf zu drehen, und wieder bewegte er sich nicht. Angst quetschte ihr die Luft aus den Lungen und verdrängte alle anderen Emotionen. Sie war in diesem winzigen Raum gefangen, und da draußen war niemand, der ihre Hilferufe hören könnte.
„Lassen Sie mich raus, Mr Ritter.“ In ihrer Stimme lag ein Zittern, das sie nicht verstecken konnte. „Wenn Sie hier irgendwelche Anstalten machen, kämpfe ich. Man wird Sie bestrafen.“
„Ich will sogar, dass du kämpfst. Nicht, dass dir das irgendwas bringen würde. Aber nein … nein, man wird mich nicht bestrafen. Das verspreche ich dir.“
Mit hämmerndem Herzen fuhr sie zu ihm herum. Von
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