Sinnliches Erwachen
mir.“
Ihr fiel die Kinnlade hinunter, aber trotzdem konnte sie noch hauchen: „Wow. Jeder, der noch größer ist als du, muss … Ich meine … Äh, ich mag deine Größe. Die ist genau richtig.“
Sehr schön gerettet, dachte er, als er fortfuhr mit seiner Geschichte. „Letzten Endes war Luzifer so überzeugt von seiner eigenen Macht, dass er beschloss, seinen Thron über den des Höchsten zu erheben. Er versammelte die unter seinem Befehl stehenden Engel und überzeugte sie davon, dass sie unter seiner Herrschaft ein besseres Leben haben würden. Gemeinsam griffen sie an. Der Höchste besiegte die verräterischen Engel und wandte sich von ihnen ab, warf sie aus dem Himmelreich.“
Sie streckte die Hand aus, als wollte sie mit den Perlen in seinem Bart spielen. Kurz bevor sie ihn berührte, erstarrte sie. Schwer fiel ihre Hand in ihren Schoß. „Hast du an der Schlacht teilgenommen und dem Höchsten geholfen?“
Er hasste es, dass sie es sich anders überlegt hatte und ihn nun doch nicht berührte – und er hasste, dass er es hasste. „Nein. Da war ich noch nicht geboren.“
„Moment mal. Engel werden geboren?“
„Nein. Sie werden erschaffen.“
„Aber … Ach ja, ich weiß wieder“, bremste sie sich mit dem schiefen Grinsen, das ihn so fesselte. „Du bist kein Engel.“
Langsam verstand sie.
„Also, was ist passiert, nachdem die bösen Jungs den Hintern vollgekriegt haben?“
„Damals war die Erde anders als der Ort, als den du sie kennst, und hat eine andere Art von Wesen beherbergt. Und nein, es waren keine Menschen. Luzifer war so wütend auf den Höchsten, dass er diese Wesen mit dem Bösen infizierte. Daraufhin wurden sie so niederträchtig, dass die Erde vollkommen zerstört wurde – doch in ihrem Innern, in der Hölle, überlebten die Wesen, denn der Geist kann nicht sterben. Jedenfalls nicht in der Bedeutung des Wortes, wie du sie kennst.“
Während er sprach, wurden ihre Augen immer größer.
„Die Zeit verging. Der Höchste erschuf die Welt von Neuem und bevölkerte sie wieder, diesmal mit Menschen, und sie war ein wahres Paradies. Und um deine Frage von vorhin zu beantworten, Er liebt dein Volk und will es behüten, weil Er euch erschaffen hat. Er hat euch erschaffen, weil Er sich nach einer Gefolgschaft sehnte. Ihr solltet Seine geliebten Kinder sein, um als Könige über die Erde zu herrschen.“
Hier hielt er inne und wartete auf eine Reaktion.
Sie nickte nur, um ihn anzuspornen, weiterzusprechen.
„Luzifer beschloss, dass es keinen besseren Zeitpunkt gäbe, um einen Gegenangriff zu starten, und riss – durch List und Betrug – die Zügel auf der Erde an sich. Die Menschen begannen, ihm zu folgen, und strichen den Höchsten aus ihrem Leben.“ Damals hatte es ausgesehen, als sei alle Hoffnung verloren.
Wieder streckte sie die Hand aus. Und diesmal war sie so gefangen in seiner Erzählung, dass es ihr nicht auffiel. Zärtlich glitten ihre Finger über seinen Kiefer.
Als sie ihn berührte, sog er scharf die Luft ein. Es fühlte sich so richtig an. So perfekt. Kein Wunder, dass die Menschen einander bei jeder Gelegenheit berührten. Ein Händeschütteln. Eine Umarmung. Jede dieser Berührungen schenkte Geborgenheit. Er lehnte sich ihr entgegen, suchte nach etwas Tieferem, Intimerem.
Wie viele Jahre hatte er sich nach so etwas gesehnt? Davon geträumt? Einst, als Kind, hatte er sich die Augen danach ausgeweint. Und hier hatte er es. Bereitwillig verschenkt.
Hör niemals auf, dachte er.
„Oh, bitte entschuldige“, japste sie plötzlich und ließ den Arm fallen. „Ich wollte dich nicht begrapschen.“
Diese zarte Liebkosung sah sie als Begrapschen ? Wie bezeichnete sie dann das, was er mit ihr gemacht hatte? Ihm wurde übel.
„Mir hat es gefallen.“ So sanft wie möglich nahm Koldo ihre Hand in seine und zog sie zurück an sein Gesicht. Nach und nach entspannte Nicola sich – genau wie er. Kurze Zeit später streichelte sie seinen Bart ganz von allein, wie hypnotisiert von dem, was sie da tat. Mühsam schluckte er ein genießerisches Schnurren hinunter.
„Was ist als Nächstes passiert?“, wollte sie wissen.
„Luzifer und seine gefallenen Engel brachten Krankheit, Leid, Armut und sogar den körperlichen Tod auf die Erde. Was die Wesen im Innern der Erde angeht, die waren körperlos und suchten verzweifelt nach Wirten. Manche kamen auf ihrer Suche an die Oberfläche. Das sind die Kreaturen, die du als Dämonen kennst.“
Ein Schütteln voller Widerwillen
Weitere Kostenlose Bücher