Sinnliches Versprechen auf Sizilien
völlig neue Dimension annehmen – wie damals, als es sie fast zerstört hatte. Marina beobachtete, wie Pietro trotz seiner Sonnenbräune blass wurde – und zu begreifen schien.
„Grausam“, wiederholte er leise in einem ganz anderen Ton. „Meine Güte, Marina, es tut mir leid.“
„Leid?“ Hatte sie recht gehört?
„Ich hatte nicht daran gedacht … dannazione , ich hätte daran denken müssen. Wie konnte ich dich herbringen, obwohl ich wusste, dass du … dass das Haus für dich voller Erinnerungen an das Baby ist.“
An das Baby …
Das war schon etwas, aber es genügte nicht. Und obwohl Pietro immerhin eingesehen hatte, dass es ein Fehler war, sie herzubringen, weil alles so viel komplizierter war, schien eine Hand sich um ihr Herz zu legen.
„Als es passierte, warst du nicht sonderlich betroffen“, hielt Marina ihm vor.
Es zu erwähnen war unfair, und es tat so weh. Doch im Moment ging es ihr nicht darum, was fair war oder nicht, nur um die immer noch blutende Wunde, die schmerzlichen Erinnerungen, die weiter unter der Oberfläche brodelten. Sich mit ihnen auseinanderzusetzen bedeutete, die giftigen Gedanken herauszulassen, die sie seit Jahren quälten – seit sie Pietro verlassen hatte. Sie unerwartet freizusetzen machte sie ganz schwindlig.
„Natürlich war ich betroffen …“
Seine Stimme klang gedämpft, sie schien aus weiter Ferne an ihr Ohr zu dringen.
„Oh ja … sicher, du warst enttäuscht.“
„Natürlich war ich das. Ich wollte das Baby ebenso sehr wie …“
„Nein!“, unterbrach Marina ihn heiser. „Das ist nicht wahr!“ Sie schüttelte den Kopf so heftig, dass ihr Strähnen ins Gesicht flogen. „Wie kannst du das sagen?“
Wie konnte er behaupten, das Baby ebenso verzweifelt gewollt zu haben wie sie? Sie hatte es um seiner selbst willen geliebt – und weil es ein Teil des Mannes war, in den sie sich auf den ersten Blick verliebt hatte …
Mit dem Baby hatte sie auch Pietro verloren.
Marina war den Tränen nahe und nahm alles nur verschwommen wahr. Wie ein dunkler Schatten stand Pietro vor ihr. Dann spürte sie, dass er sie sanft berührte. Der beinah zärtliche Kontakt durchdrang die Mauer der Abwehr, die sie um sich errichtet hatte, um ihre Selbstbeherrschung war es geschehen.
„Marina …“
„Nein!“
Blindlings wirbelte sie herum, um zur Tür, aus dem Haus zu flüchten. Nur weg von hier, von ihren Erinnerungen, den Gefühlen. Doch ehe sie den ersten Schritt tun konnte, verstärkte Pietro den Griff um ihr Handgelenk und zog sie an sich, sodass sie an seiner muskulösen Brust landete.
„Nein.“ Der raue Klang seiner Stimme durchdrang den Nebel in ihrem Kopf. „Nein, Marina. Diesmal kannst du dich nicht hinter verschlossenen Türen verschanzen. Oder vor mir davonlaufen. Schon einmal hast du mich verlassen und bist nicht zurückgekommen. Ich werde verhindern, dass es wieder geschieht.“
„Du kannst mich nicht aufhalten. Ich lasse es nicht zu. Dazu hast du kein Recht.“
„Und ob ich das habe“, beharrte Pietro. „Dieses Recht hast du mir bei unserer Eheschließung zugestanden und es nie zurückgenommen. Ich bin immer noch dein Mann.“
„Nur dem Namen nach.“
„Und der Vater unseres Kindes.“
Das ging zu weit, die Bemerkung versetzte ihrem ohnehin schon blutenden Herzen einen weiteren Stich.
„Sei still! Wie kannst du das sagen! Ich habe mein Baby verloren. Du nur den ersehnten Erben!“
„Willst du damit behaupten, ich hätte unser Kind nicht geliebt?“, fragte Pietro herausfordernd.
Was konnte sie dem entgegenhalten?
„Jedenfalls weiß ich, dass du mich nicht geliebt hast. Niemals!“
Mit einer Kraft, die Marina sich selbst nicht zugetraut hätte, entriss sie ihm ihren Arm und trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust. Sie spürte mehr, als sie sah, dass er geistesgegenwärtig den Kopf zurückbog. Dann blieb er einfach stehen und ließ sie sich austoben.
„Du hast nur das geliebt, was ich dir geben sollte!“
Nun verlor sie jede Kontrolle über sich und schlug wild auf Pietro ein, auf die schrecklichen Erinnerungen … bis sie seelisch und körperlich erschöpft und ihre blinde Verzweiflung erloschen war. Hemmungslos schluchzend sank Marina an seine Brust.
Er ließ sie einfach weinen. Anfangs stand er wie erstarrt, fast unbeteiligt da, doch als ihre Kraft nachließ, legte er die Arme um sie und drückte sie tröstend an sich. Umgeben vom schützenden Kokon seiner Wärme, schmiegte sie sich an ihn, barg das Gesicht an
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