Sinnliches Versprechen auf Sizilien
seiner Schulter und ließ den Tränen freien Lauf.
Marina hätte nicht sagen können, wie lange sie so dastanden, Pietro reglos und schweigend, sie selbst in Tränen aufgelöst. Doch irgendwann versiegte die Tränenflut, und auch die Schluchzer verebbten allmählich. Erschöpft seufzend wischte sie sich mit dem Handrücken über die Wangen und wagte nicht, ihm ins Gesicht zu sehen. Ganz kurz spürte sie, dass er ihr übers Haar strich – mit den Fingern oder mit dem Kinn? Dann löste er sich von ihr, führte sie zum roten Sofa, wo er sie sanft in die Kissen drückte und ihr von der nahen Anrichte eine Schachtel Papiertaschentücher reichte.
Behutsam tupfte er ihr die Wangen ab. Ihre Wimperntusche war zerlaufen und hatte offenbar Streifen auf den Wangen hinterlassen, denn mehrere Taschentücher landeten schwarz gefärbt im Papierkorb. Die ganze Zeit sagte Pietro kein Wort, bis er sein Werk endlich prüfend betrachtete und auch nach etwas anderem zu forschen schien. Verlegen senkte Marina die Lider und blickte auf den blank polierten Holzboden.
Als hätte dies etwas in ihm freigesetzt, stand er auf und ging durch den Raum zum Fenster, kam jedoch wieder zurück und blieb mit gespreizten Beinen vor ihr stehen.
Unsicher blickte sie unter tränenfeuchten Wimpern zu ihm auf. Er hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben, seine Fäuste zeichneten sich scharf unter dem Stoff ab und verrieten, wie angespannt er war.
Endlich sagte er mit seltsam rauer, eindringlicher Stimme: „Du kannst mir vorwerfen, ich hätte dich nicht genug oder gar nicht geliebt … aber nicht, ich hätte mein Kind nicht gewollt und geliebt.“
Es war eine Feststellung, auf die er offenbar keine Antwort erwartete. Marina nickte nur stumm und konnte ihn nicht ansehen.
„Der Tag, an dem du das Baby verloren hast“, hörte sie ihn leise fortfahren, „war der schlimmste meines Lebens.“
Für mich auch … nur noch viel, viel schlimmer . Doch der Ton, in dem Pietro ihr das Geständnis machte, gab ihr zu denken. In ihrer Trauer und Verzweiflung hatte sie keinen Gedanken darauf verschwendet, was er empfinden könnte. Er hatte sich einen Erben gewünscht … aber auch er hatte ein Kind verloren.
„Es tut mir leid, wenn ich dich enttäuscht habe …“
„Enttäuscht?“, wiederholte er befremdet.
Marina war immer noch zu benommen, um seinen Stimmungsschwankungen folgen zu können.
„Enttäuscht.“
Unvermittelt packte er sie bei den Armen und zog sie hoch, sodass sie gezwungen war, ihm ins Gesicht zu sehen, das auf einmal seltsam bleich und hager wirkte.
„Und inwiefern hast du mich enttäuscht, Marina?“
„Ich habe das Baby verloren …“
Pietro ließ sie nicht weitersprechen. „Bei dieser Tragödie bist du nicht die einzige Betroffene. Wir haben das Baby gemeinsam gezeugt. Enttäuschend ist nur, dass wir es nicht auch gemeinsam verloren haben.“
„Nein. Wir hatten uns schon vorher entfremdet“, erwiderte sie verbittert, dennoch fühlte sie sich etwas erleichtert. Er machte sie also nicht für die Fehlgeburt verantwortlich. Das hatte sie damals oft genug getan, sich nutzlos und als Versagerin gefühlt, weil sie ihm den ersehnten Erben nicht hatte schenken können.
„Du hast nicht einmal mehr versucht, mit mir zu schlafen.“
„Du warst schwanger.“
Mit einem dicken Bauch. Und müde, schrecklich müde. Nicht nur morgens war ihr übel gewesen, den ganzen Tag über, jeden Tag. Sie hätte die Warnsignale erkennen müssen, aber es war ihr auch so schon schwer genug gefallen, sich seelisch und körperlich über Wasser zu halten.
„Und nicht unbedingt die Principessa , die du dir gewünscht hattest.“
„Ich wusste, dass du schwanger warst, als ich dich geheiratet habe. Richtig stolz war ich auf die Veränderungen, die mit dir vorgingen … weil du mein Kind in dir getragen hast. Alles andere war unwichtig für mich.“
„Bist du deshalb aus unserem Schlafzimmer ausgezogen – wegen des Babys?“
Wieder hatte sich etwas verändert. Pietro wirkte jetzt fast traurig, seltsam nachdenklich.
„Ich hätte alles getan, damit du unser Kind gesund zur Welt bringst, Marina. Es ging dir nicht gut, dir wurde ständig übel, du konntest kaum schlafen.“
Sie hätte besser geschlafen, wenn er sie schützend in den Armen gehalten hätte.
Sobald sie den prächtigen Palazzo betreten und gemerkt hatte, wie groß das Anwesen war, wie viel Macht und Reichtum ihr Baby erben würde, hatte sie sich hilflos und unzulänglich gefühlt. Und
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